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Archiv-Artikel

Pisa macht SPD nachdenklich

Das Abgeordnetenhaus debattierte gestern über Bildungspolitik. Dabei sprachen sich die Sozialdemokraten für längeres gemeinsames Lernen aller Kinder aus

Kaum waren die Ergebnisse der neuen Pisa-Studie bekannt, entbrannte der Kampf um die richtige Interpretation. Den Auftakt machten die Kultusministerkonferenz und die OECD, die die Studie durchgeführt hat. Sind die Probleme der deutschen Schulen im dreigliedrigen System lösbar? So lautet dabei erneut die Streitfrage. Oder muss man dieses System abschaffen, wenn man die Leistungen aller SchülerInnen verbessern will – unabhängig von der sozialen Herkunft der Kids? Gestern erreichte die Debatte das Abgeordnetenhaus. Und wer genau zuhörte, konnte dabei vorsichtige, neue Töne hören. Bei den Sozialdemokraten.

Zwar sprach sich die SPD nicht für die Gemeinschaftsschule bis zur zehnten Klasse aus, wie es Grüne und PDS erneut forderten. Doch die bildungspolitische Sprecherin der Sozialdemokraten, Felicitas Tesch, sagte in der Parlamentsdebatte: „Langfristiges Ziel muss eine längere gemeinsame Schulzeit sein.“ Wer das ernst nimmt, ist von der Gemeinschaftsschule bis zur zehnten Klasse nicht mehr so weit entfernt. Schließlich gibt es in Berlin bereits die sechsjährige Grundschule. Auch die Hauptschule mochte Tesch nicht verteidigen. „Die Hauptschule in ihrer jetzigen Form ist überholt“, sagte die Bildungspolitikerin. Allerdings, so fügte sie hinzu, dürfe man mit den Reformen auch niemanden überfordern. Alles zu seiner Zeit, heißt das wohl.

Bildungssenator Klaus Böger, bekanntlich ebenfalls Sozialdemokrat, warnte zwar – wie immer – vor einer „dogmatischen Strukturdebatte“. Und auch vor dem „Irrglauben“, eine Systemveränderung sei der „entscheidende Befreiungsschlag“. Doch Böger sagte auch: „Wenn man bei null anfangen könnte, würde kein vernünftiger Mensch ein dreigliedriges Schulsystem einführen.“ So klar hat sich der Senator noch nie gegen das hiesige Bildungssystem ausgesprochen. Vielleicht tut sich ja endlich was bei der Berliner SPD. Sozialdemokraten in anderen Bundesländern – auch im Nachbarland Brandenburg – gehen eine längere gemeinsame Schulzeit längst offensiv an. In Schleswig-Holstein zieht die SPD sogar mit einer „Schule für alle“ in den Landtagswahlkampf. Und glaubt, damit gewinnen zu können. Das könnte ein schönes Beispiel für Berlin werden. SABINE AM ORDE