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Archiv-Artikel

Neue Farbe für Studis

Österreichs konservative Regierungskoalition bastelt sich eine ihr genehme Studierendenvertretung

WIEN taz ■ „Wer die Regierung kritisiert, wird abserviert“. Mit diesem Transparent haben österreichische Studierende am Donnerstag in Wien demonstriert. Ihr Protest richtete sich gegen eine Novelle des Hochschülerschaftsgesetzes, die noch gestern im Nationalrat beschlossen werden sollte. Die von der Regierungskoalition eingebrachte Reform dürfte die politischen Farben der Studentenvertretung ändern und das bundesweit agierende Gremium entmachten.

Es wäre nicht das erste Mal, dass die ÖVP-FPÖ-Regierung eine ihr unangenehme Institution per Gesetz „umfärbt“. Bisher hatten Studierende zwei Stimmen: eine für die Fachschaftsvertretung an ihrer Uni und eine zweite für die Bundesvertretung der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH). Dort herrscht seit 2001 eine grün-rote Mehrheit, die sich immer wieder politisch zu Wort meldete, etwa gegen Studiengebühren oder das Kaputtsparen der höheren Bildung.

Die Gesetzesreform schafft die Zweitstimme ab. Die Bundesvertretung soll künftig von den Hochschulen gemäß dem Resultat der jeweiligen Fachschaftswahlen entsandt werden. Beim bisherigen Wahlverhalten würden so ÖVP-nahe Listen auf eine Zweidrittelmehrheit kommen, weil aufgrund der unterschiedlichen Größe der Fachschaften die Zahl der für einen Sitz erforderlichen Stimmen variiert. Zugleich wird kleinen Gruppen wie den vom Aussterben bedrohten „Freiheitlichen Studentenvertretungen“ das Erreichen eines Mandats erleichtert, weil sie die Stimmen von mehreren Universitäten addieren können.

Das Gesetz wurde im Verborgenen vorbereitet und im November überraschend präsentiert. Nur regierungsnahe ÖH-Vertreter wurden konsultiert. Man müsste schon massive Denkstörungen haben, um nicht zu erkennen, was die Regierung vorhat, meinte der grüne Wissenschaftssprecher Kurt Grünewald. Er forderte gemeinsam mit ÖH und SPÖ nicht nur die Rücknahme der Gesetzesinitiative, sondern vielmehr eine Stärkung der Univertretungen durch Sitz und Stimme der ÖH im Universitätsrat.

Da die Regierungsmehrheit gestern im Nationalrat das Gesetz trotz Widerstands der Opposition durchzupeitschen drohte, hatte SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer seinerseits mit Blockade der Verfassungsreform gedroht. Die wird seit 18 Monaten im so genannten Konvent diskutiert. Wegen der dabei erforderlichen Zweidrittelmehrheit geht dort ohne die Sozialdemokraten nichts. RALF LEONHARD