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Archiv-Artikel

Braucht noch jemand Anrufbeantwortermusik?

KONZERT Chicagos Casiotone For The Painfully Alone präsentieren sich beim Konzert im Festsaal Kreuzberg trotz Bandbesetzung in der Schwundstufe

VON RENÉ HAMANN

Vielleicht reicht es auch. Vielleicht ist jetzt auch mal gut mit Indie-Musik, mit Indietronica und Wohnzimmerelektronik. Mit der betont unvirtuosen Musik von Dilettanten, von alt werdenden Prekären, die längst jenseits von Cool sind oder noch nie diesseits waren und niemals sein wollten. Mit Post- oder Spätslackermusik aus den Staaten, von Menschen, die Outdoorhöllen entstiegen zu sein scheinen oder der Stubenhockerei in Mamis Butze gerade noch entflohen.

Am Dienstagabend spielten Casiotone For The Painfully Alone im halb gefüllten Festsaal Kreuzberg. Casiotone haben zwei Vorteile: erstens einen Namen, den man sich einfach merken muss, zweitens einen fingerfertigen Mastermind namens Owen Ashworth. Im Prinzip ist die Band ein Ein-Mann-Unternehmen. So präsentierte Ashworth in der ersten Hälfte des Konzerts seine Fingerfertigkeit, indem er an unzähligen Pedalen, Kabeln, Effektgeräten, Tasten und Minikeyboards schraubte und singsprach. Sein Sprechgesang zeugt allerdings von geringer Stimmbandbreite. Ashworth hielt sich ungefähr in der immergleichen Frequenz auf, ohne ins Rappende zu geraten. Dafür hatten seine Tracks etwas Lustiges. Sie knarzten, knallten und dröhnten gut; Casiotone machen niedliche, düstere Indiediskomusik, sehr low-fi, sehr reduziert und erfrischend kurz. Und durchaus mit Kick und Hintersinn. „Answering Machine Music“ hat Ashworth das und sein Debüt selbst einmal genannt, das trifft es auch.

Leider langweilt sich Ashworth wohl manchmal, so allein mit seinen Maschinen. Und so lädt er sich hin und wieder ein paar Kumpels ein, die er aus der Bar um die Ecke kennt und vom gemeinsamen Baseball-Meisterschafts-Gucken bei irgendwem zu Hause (richtig, Casiotone kommen aus den USA, genauer aus Chicago, Illinois).

Das sind dann drei Jungs, die genau wie er etwas älter wirken, als sie eigentlich sind. Was an den Bärten oder wahlweise dem Bauch liegen muss. Bei Ashworth auch an beidem. Jedenfalls spielen sie Schlagzeug, Gitarre, Orgel und natürlich Pedal Steel, und Casiotone bemühen sich redlich, sind aber fern jeder Virtuosität: Der Schlagzeuger hämmert die Beats, die Gitarre spielt simple Bassläufe, und an der Orgel werden ein paar Akkorde ertastet. Dieselben musikalischen Zutaten hätte Ashworth auch aus seinem Geräteorchester holen können, und es hätte zwar komprimierter, dafür zügiger und grooviger geklungen. So zog die Band die Musik unweigerlich ins Countryhafte.

Mit dem Alter beginnt man ja tatsächlich, Geschmack an dieser Pferdewagenmusik zu finden. Trotzdem klangen Casiotone plötzlich wie die rückschrittliche Version von The Folk Implosion, einer auch recht schluffigen Band, die vor fünfzehn Jahren den umgekehrten, fortschrittlichen Weg gingen: weg vom Bandkonzept, hin zur Elektronik. Was Ashworth gut kann, sind einerseits thematisch angelegte Stücke. Seine Texte setzen sich mit Kindheit und Elternschaft auseinander, inzwischen auch für den Jahrgang 1977 ein wichtiges Thema. Die neue Platte heißt entsprechend „Vs. Children“. „Vs“ steht für versus. Ein Eltern behandelndes Stück heißt „Killers“. Vielleicht muss man Ashworth nur zuhören: In den Texten wimmelt es von abgründigem lakonischem Humor.

Andererseits beherrschen Casiotone die gelungene Coverversion. Schön monoton vorgetragene Interpretationen von „Graceland“ (Paul Simon) oder „When You Were Mine“ (Prince) beleben stets das Programm, fielen aber an diesem Dienstagabend flach. Stattdessen gab es eine recht lasche Version von „Streets of Philadelphia“, im Original von Bruce Springsteen. Bezeichnend.