: So gehen Sie mit der NPD um
VON DANIEL SCHULZ
1. Umarmen Sie Punks
Für so ziemlich alle Rechtsextremen ist die Gewissheit wichtig, dass ihre Meinung eigentlich deutsche Mehrheitsmeinung ist. Das „System“, die demokratische Bundesrepublik, hat demnach abgewirtschaftet und wird bald untergehen. Jede Bestätigung dafür wird gefeiert, beispielsweise auch die zwei Stimmen für den NPD-„Rückkehrbeauftragten“ in Sachsen. Genauso stärkt es das Selbstbewusstsein der Rechten, wenn demokratische Politiker Initiativen gegen rechts immer wieder in die linksextremistische Schmuddelecke drücken. Machen Sie den Rechtsextremen und den Normalbürgern deutlich, wer für Sie die Außenseiter sind.
2. Lassen Sie sich verklagen
Müssen Sie die Neonazi-Demo genehmigen? Müssen Sie die NPD in einen Ausschuss wählen, weil der Parteienproporz es so vorsieht? Nein. Die NPD wird Sie vor Gericht bringen, und Sie werden vielleicht mit einer negativen Entscheidung leben müssen. Aber die hat die Justiz aufgrund formaler Kriterien getroffen. Sie haben dagegen klar gemacht, dass Sie inhaltlich gegen die NPD sind.
3. Seien Sie hart
Eine kleine Gruppen bildet den harten ideologischen Kern der Rechtsextremen. Diese Leute sind nicht zu missionieren, aber zu verunsichern: von speziellen Einheiten der Polizei. Allerdings hilft das nicht gegen rechtsextreme Ansichten aus der Mitte der Gesellschaft und nicht dagegen, dass Rechtsextreme in Teilen der Sächsischen Schweiz oder der Uckermark bereits die Hegemonie haben. Sie sitzen in Vereinen und stellen in manchen Dörfern schon den Maibaum auf. Deshalb kann die Repressionsstrategie nicht das alleinige Konzept gegen Rechtsextremismus sein.
4. Bleiben Sie gefälligst sitzen
Es wirkt lächerlich und ohnmächtig, wenn sich alle anderen Parlamentarier umdrehen oder das Plenum verlassen, wenn ein NPDler oder DVUler redet. Zudem senden solche Gesten ein fatales Signal an die Wähler: Seht her, wir reden nicht mit euren Vertretern! Fakt ist, dass DVU und NPD zwar keine demokratischen, aber gewählte Parteien sind. Viele ihrer Stimmen haben die Rechten dieses Mal noch nicht von Stammwählern bekommen, sondern von solchen, die sich von der Politik der demokratischen Parteien ignoriert fühlen. Diese Wähler holt man nicht durch Ignoranz zurück. Seien Sie höflich und formal korrekt.
5. Seien Sie ein Umweltschwein
Die NPD fordert schärfere Umweltschutzrichtlinien? Sie stimmen auch als Grüne/r dagegen. Vielleicht ist der Antrag formal falsch, oder sachliche Gründe sprechen dagegen. Rechnen Sie aber nicht damit, dass Ihnen die Rechten diesen Gefallen tun. Sachsen ist für die NPD ein Modellprojekt, dort sitzen ihre besten Kader. Erläutern Sie, dass sich das ausgeprägte Umweltbewusstsein der NPD aus der völkischen Lebensreformbewegung von Anfang des 20. Jahrhunderts speist. Wenn Sie selbst für strengere Richtlinien sind, bringen Sie Ihren eigenen Antrag ein.
6. Wählen Sie aus
Anträge der NPD, die nicht so publicityträchtig sind, können sie auch ohne ausführliche Begründungen wegstimmen. Das tun Sie bei anderen Parteien ja auch. Sie sollen die Rechten ernst nehmen, aber nicht überbewerten
7. Werden Sie Sozialprofi
Auf einen Themenkomplex wird sich die NPD besonders konzentrieren: Soziales. 1.000 Euro für jedes deutsche Kind wird sie wahrscheinlich bald fordern. Lesen Sie sich in das Thema ein. Stellen Sie heraus, für wen die Forderungen der NPD nicht gedacht sind: Ausländer und Randgruppen. Weisen Sie nach, dass deren Forderungen nicht bezahlbar sind. Machen Sie sich auf Krach in Ihrem Wahlkreis gefasst. Die Botschaften der NPD sind einfach und schlau. Viele würden Leistungen für Migranten gern kürzen, um selbst mehr in der Tasche zu haben. Wenn Sie Sozialkürzungen vertreten müssen, reden Sie Klartext. Man muss die nächste Wahl deshalb nicht verlieren, wie das Beispiel von Matthias Platzeck (SPD) in Brandenburg zeigt.
8. Suchen Sie nach Goebbels
Ministerpräsident Georg Milbradt hat richtig angefangen. Stellen Sie Äußerungen der NPD in den Kontext, in den sie gehören. Entlarven Sie den Satz „Alles für Deutschland“ als das, was er ist – eine Losung der SA. Gerade die vielen kleineren Fraktionen haben aber ein Problem: Sie müssen mit wenigen Mitarbeitern auskommen. Fordern Sie Hilfe von Ihrer Bundespartei an.
9. Seien Sie unsicher
Der Umgang mit den Rechtsextremen ist nicht so einfach wie früher. Experten fällt es derzeit noch schwer, die richtige Strategie gegen die NPD-Politprofis zu benennen. Gestehen Sie sich Ihre Unsicherheit ein. Organisieren Sie Gespräche der Fraktion mit Expertenrunden: Parteienforscher, Rechtsextremismusexperten, die Kontakte in die rechte Szene haben und Initiativen gegen rechts. Sie haben Ahnung, wie das Parlament funktioniert, die anderen, wie die Rechten funktionieren. Verknüpfen Sie dieses Wissen. Versuchen Sie eine grundsätzliche, gemeinsame Strategie aller Demokraten zu vereinbaren.
10. Stecken sie die Nazi-Keule ein
Es ist nicht hilfreich, wenn Sie den NPD-Fraktionsvorsitzenden Holger Apfel in einer Talkshow als Neonazi geißeln, obwohl er gerade vom ungerechten Sozialsystem spricht. Wenn er ein Thema anspricht, argumentieren Sie thematisch. Wenn Sie aber „Neonazi“ rufen, wirkt das so, als würden Sie vor der sachlichen Auseinandersetzung fliehen. Seine Anhänger wissen gut, wer Holger Apfel er ist. Die Demokraten in diesem Land auch. Es geht also um die Unentschiedenen, die nicht wissen, was sie von den Rechtsextremen zu halten haben. Sie müssen auch nicht zu jedem NPD-Abgeordneten aufs Podium steigen. Tun Sie es dann, wenn sie zum Thema gut vorbereitet sind.
11. Seien Sie Patriot
Fehlendes Gerede über Heimat ist nicht der Hauptgrund für die Stärke der Rechtsextremen. Doch die Diskussion darüber, auf welcher Grundlage wir in diesem Staat leben wollen, dürfen die Demokraten den Rechtsextremen nicht überlassen. Die Debatte darf allerdings nicht mit NPD-Sprech wie „Überfremdung“ bestritten werden. Der Normalbürger versteht auch ohne solche Kampfparolen, was Sie meinen, und den harten rechten Kern sprechen Sie ohnehin nicht an. Die nehmen lieber das Original und belächeln die Anbiederungsversuche einer „Systempartei“.
12. Spalten Sie
Nach den Wahlerfolgen im Osten strotzen die Rechtsextremen vor Selbstbewusstsein. Sie propagieren eine vorher nicht gekannte Einigkeit. Die ist allerdings nicht so fest, wie NPD und DVU gern glauben machen wollen. DVU-Chef Gerhard Frey beispielsweise wird von vielen Kameradschaftlern gehasst, weil er Neonazis verachtet. Die streuen gezielt, dass Frey Jude sei, anders ließen sich die Raffgier des Verlegers und sein „Verrätertum“ nicht erklären. Auch in der NPD gibt es Diskussionen zwischen dem Flügel, der den Sturz des Systems per Revolution will, und denen, die ihn über das Parlament herbeiführen wollen. Versuchen Sie, diese Konflikte zu nutzen. Und stellen Sie die Rechten nicht als monolithischen Block dar, indem Sie unterschiedslos von „Neonazis“ reden.