Schlechte Laune am Pool

Der Sternenhimmel, ein Swimmingpool, Wein trinken, rumsitzen, Italienisch radebrechen, Ausflüge nach Siena: Ein britisches Ehepaar mittleren Alters, Verena (Mary Roscoe) und Charlie (Michael Hadley), Freunde, Kinder, Freunde der Kinder machen Urlaub in einer gemieteten Villa in der Toskana. Der Film beginnt damit, dass eines Abends, sie ist im Dunkeln erst kaum zu erkennen, Anna (Kathryn Worth) zu dieser Gruppe stößt, eine alte Freundin Verenas, Näheres erfährt man erst einmal nicht. Sehr bewusst setzt die erfahrene Fernsehregisseurin Joanna Hogg, um deren Spielfilmdebüt es sich handelt, ihr Gruppenporträt geradezu pointillistisch Zug um Zug erst zusammen.

Kurz sind die Einstellungen und sie haben scharfe Ränder. Ziellos, dahintreibend, dabei keineswegs relaxt ist die Stimmung, eher gereizt sind die Dialoge. Urlaub wird aufgeführt, aber mit den Untertönen stimmt etwas nicht. Anna, die bald als Protagonistin des Films identifizierbar wird, hat dabei den am klarsten umrissenen Konflikt: Ihre Beziehung zum langjährigen Ehemann, der in London geblieben ist, ist in der Krise. Die Krise wird in Gesprächen am Handy von Zeit zu Zeit ausagiert. In der Reisegruppe sucht Anna bald nicht zu den Gleichaltrigen, sondern zur indolent herumhängenden Viererbande der jungen Erwachsenen Kontakt. Vor allem zum gut aussehenden und bis zur Arroganz selbstbewussten Tunichtgut Oakley (Tom Hiddleston). Schnitt um Schnitt montiert die Kamera die Blicke zwischen den beiden zum Flirt aneinander, wobei man sehr schnell das Gefühl bekommt, dass Oakley mit der rund zwanzig Jahre älteren Anne nur spielt, während Anne mit dem Willen zur Verzweiflung diese Affäre sucht.

Es wird einem dabei, was es soll, beim Zusehen sehr schnell unwohl. Man sieht nicht, wie das gut ausgehen könnte. Joanna Hogg, die auch das Drehbuch geschrieben hat, lässt einen auf sehr schön untergründige Art spüren, wie alle hier einander so recht nichts zu sagen haben. Die Stimmung ist nicht gut, sie ist nicht schlecht, es herrscht eine Art selbstzufriedenes Unglück. Der Film denunziert diese unerquicklichen Briten nicht, sondern kritisiert sie atmosphärisch, indem er ihnen einfach beim Sprechen und Handeln zusieht.

Man spielt freudlos Gesellschaftsspiele, man sitzt eher schlechter Laune am Pool, man tut, was man als Tourist tun muss, man vertreibt sich die Zeit, aber eher so, als gelte es, sie dafür, dass man sie im Urlaub nun mal hat, zu bestrafen. Spannungen liegen in der Luft, bleiben aber lange unausgesprochen – und den brutalsten Konflikt setzt Hogg dann brillant ins Off. Trotz der warmen Sommerabende in der mit voller Absicht postkartenmäßig schön fotografierten Landschaft kommt einem beim Zusehen das Frösteln. Anna gilt dabei am ehesten noch das Mitgefühl. Man leidet mir ihr und ihren quälenden, aber sehr verständlichen Versuchen, den Abschied von der eigenen Jugend durch Kontakt zu den Jüngeren hinauszuzögern.

Es ist ein Jammer, dass der Film am Ende noch ein paar plumpe Psychologisierungen unternimmt. Er dementiert damit geradezu die Subtilität, die er die längste Zeit doch besitzt. Daran, dass dieses Stimmungsstück eine im britischen Gegenwartskino singuläre Erscheinung ist, ändert das freilich nichts. Der Film erhielt ganz zu Recht hervorragende Kritiken und mehrere Preise. In Deutschland war das als Entdeckung einer aufregenden neuen Regisseurin gefeierte Werk – außer beim Britspotting-Festival – nie zu sehen. EKKEHARD KNÖRER

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