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Archiv-Artikel

Eins von Wrembeks Wundern

Ein Jesuitenpater aus Hannover hat 42 Hilfstransporte und 1,5 Millionen Euro Spenden für ein estnisches Hilfswerk organisiert. Sein Treatment über Maria Magdalena soll in Hollywood verfilmt werden. Alles mit Unterstützung „von ganz oben“

„In Estland sind wir zum Hoffnungsträger geworden“

Aus Hannover Kai Schöneberg

Eine Freundin, eine Bewerbung bei der Filmhochschule in Berlin, Kritiken über Sexfilmchen hat er sogar geschrieben. Es hätte alles ganz „normal“ im Leben von Christoph Wrembek ablaufen können. Bis zu jenem Abend Ende der fünfziger Jahre, als der damals 16-Jährige den Gedanken fasste, Priester zu werden.

An diesen Abend kann sich Wrembek, eigentlich ein eher nüchterner Typ, noch heute sehr genau erinnern: „Da bin ich völlig ruhig eingeschlafen.“ Ein „göttlicher Hinweis“, sagt er heute. Und nicht der letzte. „Von Anfang an“ sei auch die Estland-Sache „vom Himmel begleitet“ gewesen, meint der Pater und bekommt dabei einen ganz festen Blick.

Manchmal kann Wrembek einfach nicht mehr an den Zufall glauben. Und er weiß genau, was Glauben bedeutet. Seit 30 Jahren trägt Christoph Wrembek ein „SJ“ hinter seinem Namen: „Societas Jesu“ heißt das. Und, dass Wrembek Jesuit, einer von den ganz Harten, ist. Vielleicht ist ja wirklich ein Wunder geschehen. Ein schönes Wunder, dem Wrembek manchmal jedoch ein bisschen nachhelfen musste. Das Wunder vom „Johannes-Esto-Zentrum“.

Der Verein hat ein Stück Hoffnung aus dem fernen Deutschland nach Estland gebracht. Hoffnung in Form von 42 Hilfstransporten, 1,5 Millionen Euro Spenden, einer Kleiderstube, einer Suppenküche, einem Mutter-Kind-Zentrum, einem Verlag und einem kirchlichen Haus für Bildung an der Ostsee samt 1.000 Hektar Land. Hier wachsen im Sommer so viele Erdbeeren, dass in der Erntezeit 35 Esten Arbeit finden.

Schon als er nach mehreren wundersamen Zufällen das erste Mal vor 12 Jahren in Estland ankam, als erster Jesuit nach dem Krieg, merkte Wrembek: „Hier kannst du den Leuten nichts vom Jesulein erzählen, die brauchen was im Bauch.“ Das akzeptierten die Esten. Zuerst sagten sie: „Wrembek, bring uns das Organisieren bei!“ Inzwischen stehen die Einrichtungen des Esto-Zentrums an der Schwelle, sich selbst tragen zu können. Wrembek sagt nicht ohne Stolz: „Wir sind dort zum Hoffnungsträger geworden.“

Eins von Wrembeks Wundern passierte am 19. März 1993. Das war der Tag, an dem er in der estnischen Hauptstadt Talinn die ersten Care-Pakete verteilte. Genau 400 Jahre zuvor, am 19. März 1593, war Johannes Esto, der erste Jesuit, nach Estland gekommen. Bald gründete Wrembek das „Johannes-Esto-Zentrum“, das derzeit pro Jahr 130.000 Euro Spenden für die Hilfe im Baltikum erlöst.

Wrembek sagt, „eigentlich achte ich nicht auf Wunder.“ So sieht es also bei einem Krieger Gottes aus. Christoph Wrembek sitzt in seinem 20 Quadratmeter-Zimmer im Haus der Jesuiten in Hannover. Umgeben von Bildern mit Ordensgründer Ignatius von Loyola, dem Grabtuch von Turin, Marien und Bücherregalen mit dicken Ordnern ruft er vom Laptop aus Fotos von einem seiner Gottesdienste in Estland aus dem Internet auf. „Menschlich und vernünftig“ sei der Orden, „in manchen Konzernen geht es viel strenger zu“, wehrt der Pater das Klischee über die Jesuiten ab, das besagt, die Brüder seien ein fast militärisch straff organisierter Verein, verbissen christlich und besonders papsttreu. Das heißt nicht, dass sie nicht auch beim heiligen Vater anecken können.

Angeblich gibt es wegen seiner Estland-Aktivitäten eine rote Wrembek-Akte im Vatikan: „Das bedeutet, dass aus mir nie was werden kann“, sagt Wrembek. Wenigstens in der Hierarchie der Kirche. In der Hierarchie des Lebens ist der 62-Jährige schon ziemlich hoch geklettert. 1961 Abitur in Berlin, 1973 und 74 kirchliche Medienarbeit in Los Angeles, dann Studentenpfarrer in Berlin, seit 1984 in Bremen Priesterseelsorger für das Südoldenburger Land, Wanderexerzitien in Israel. Seit 12 Jahren kümmert sich Wrembek von Hannover aus um Priester in Niedersachsen. Das ist eigentlich sein Hauptjob. Sein früheres Faible für den Film hat der Pater aber nie vergessen.

Gerade versucht eine Agentur in Hollywood, Wrembeks Treatment über eine moderne Version der Geschichte von Maria Magdalena zu verkaufen. Eigentlich müssten Julia Roberts die Sünderin und Kevin Costner den Jesus spielen, findet Wrembek. Und natürlich hofft er auch, dass er bei der Verwirklichung des Films Hilfe von ganz oben bekommt. Im Kino war der Cineast aber schon seit Jahrzehnten nicht mehr. „Ich musste mich einfach entscheiden“, sagt Wrembek. „Estland, das heißt Arbeit für Tag und Nacht.“

☎ Förderverein Johannes-Esto-Zentrum 0511-989 6224. Im Internet: www.johannes.ee