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Archiv-Artikel

Windige Weihnachten

Zensurbefürchtungen für das Theater, Solidaritätswelle mit Kito: Bremens Kultur nach dem Spar-Erlass

„Wir werden uns nicht kampflos beerdigen lassen.“ Kito-Geschäftsführer Stefan Linke, dessen Haus ab 2005 ohne die bisherigen 102.000 Euro vom Kultursenator auskommen soll, ist wild zur Verteidigung entschlossen. Auch bei den anderen kürzungsbetroffenen Kultureinrichtungen stehen die Signale trotz der allgemeinen Weihnachtlichkeit auf Sturm (vgl. bisherige taz-Berichte).

Lediglich am Bremer Theater, das bis zu 250.000 Euro jährlich sparen soll, säusele nur ein „Protestzephir“ – schreibt Ex-Kultursenator Horst-Werner Franke in einem offenen Brief an Nachfolger Perschau. In Frankes eigener Amtszeit habe es Barrikadenstimmung und „Orkane“ gegeben, dabei stehe das Theater heute tatsächlich „an der Kante“. Besonders kritisch sei die geplante Abhängigkeit von durch politische Gremien zu vergebenden Zusatzmitteln. Franke: „Getarnt als Sparsamkeit schleicht sich so die Zensur in unser Theater.“

Im Falle des Kito wird die Autonomieaufgabe behördlicherseits ganz offen gefordert – weil die bisherige Programmqualität ungenügend sei. Dabei war das frühere „zu ambitionierte“ (also zu teure) Programm der Grund für den Rausschmiss von Linke-Vorgänger Claus Hößelbarth vor drei Jahren. Der hatte das Kito zu einem veritablen Club der internationalen Jazzszene gemacht. In diesem Sinn ist das Kito heute keine allererste Adresse mehr, aber trotz der damals erfolgten Sparauflagen hat Linke ein mehr als respektables Konzertprogramm aufgebaut. Ganz zu schweigen von hochkarätigem Kabarett und Auftritten von „QuerDenkerInnen“ wie Franz Alt oder Heiner Geissler.

Das bestätigt derzeit das von Solidaritätsadressen offenbar überquellende Kitofax: Dieter Hildebrandt etwa nennt es einen „Treffpunkt für Denkfreudige“, und kein Geringerer als der Posaunist Albert Mangelsdorff sieht die „Liquidierung des Kito“ als „Schlag gegen den Jazz“. Aufschlussreich ist auch, dass die besonders inkriminierten Reihen „KITOspirituell“ und „KITOecclesia“ von der evangelischen Kirche vor Ort als „Bereicherung“ angesehen werden. Pastor Volker Keller lobt den im Kito möglichen „offenen Diskurs“ und darüber hinaus dessen „vernetzende Arbeit im Stadtteil“.

Warum also das harsche Urteil der Kulturbehörde? Im Hintergrund spielt die Konkurrenzsituation der Bremen-Norder Kultureinrichtungen eine gewichtige Rolle: Während das von FDP-Aktiven mitbestimmte Kito mit dem als SPD-nah geltenden Bürgerhaus kooperiert (etwa beim „Fest der Lieder“), wurde der in jüngster Zeit erfolgte intensive Ausbau des Kulturbahnhofs (der allerdings auch bemerkenswerte Eigenproduktionen vorweisen kann) als CDU-Unterstützung bezeichnet.

In ihrer jüngsten Sitzung beschloss die Kulturdeputation die Erarbeitung eines neuen Konzeptes für Bremen-Nord – in diesem Zusammenhang wird auch von einer gemeinsamen Geschäftsführung für alle drei Einrichtungen gesprochen. Dem Kito wird dabei ganz offensichtlich keine Führungsposition zugedacht. Henning Bleyl