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Archiv-Artikel

Trotz Tadels eine Klasse höher

Die Wahl Jochen Otts zum Kandidaten für die Landtagswahl im Mai stößt Teilen der Basis übel auf. Parteitagsdelegierte raten dem Kölner SPD-Chef, erstmal seine Hausaufgaben für den Rat zu machen

Von Frank Überall

„Ben Wisch“ hat von seiner Ausstrahlung nichts eingebüßt. Der SPD-Senior eröffnete am Samstag den Parteitag der Kölner SPD mit einem flammenden Plädoyer für die große Koalition im Rathaus, für eine Wahl von Jochen Ott in den Landtag und für mehr Einfluss der Rheinländer in der NRW-SPD. „Wenn die größte Stadt des Landes nicht mehr im notwendigen Maß an Entscheidungen beteiligt ist, muss sich das ändern“, sagte Hans-Jürgen Wischnewski (82). Früher hätte die Kölner SPD Minister- und Landtagspräsidenten sowie Minister gestellt, heute nicht mehr.

Der Einsatz des SPD-Granden zu Gunsten des Kölner Parteivorsitzenden Ott stieß bei manchem im Bürgerzentrum Chorweiler auf Verwunderung. Hatten doch vor allem Delegierte aus dem Stadtbezirk Porz überhaupt kein Vergnügen an der Bewerbung ihres Unterbezirks-Chefs für den Landtag. „Wir haben einen Landtagsabgeordneten Friedhelm Lenz, mit dessen Arbeit wir zufrieden sind“, rief der Porzer SPD-Chef Peter Tschiersky den Delegierten zu. „Ich hätte gerne gewusst, warum Ott ausgerechnet in Porz kandidieren muss.“ Das Argument, dass Ott vor 30 Jahren im Porzer Krankenhaus geboren wurde, gefiel der Basis nicht. Auch dass Ott im Wahlbezirk Porz wohnt, seit sein Wohnort Höhenberg bei der Neuzuschneidung der Wahlkreise Porz zugeschlagen wurde, war für seine Gegner kein Argument. „Das hat dich doch bei der Kommunalwahl auch nicht interessiert, als du deinen Wahlkreis im Kölner Westen hattest“, hielt ein Redner dagegen.

„Jochen Ott sollte erst einmal seine Hausaufgaben machen, dann sehen wir weiter“, meinte der Porzer Vize-Bezirksvorsteher Hans-Gerd Ervens. Ott solle lieber noch fünf Jahre warten und sich in dieser Zeit weiter auf die Parteiarbeit in Köln konzentrieren. „Dir fehlt eine nachhaltige Strategie für deinen politischen Weg“, meinte Martin Zorn. Weil Ott sein Ratsmandat im Fall der Wahl in den Landtag aufgeben müsse, sei der Wahlkreis Junkersdorf dann ohne politischen Vertreter. Und den schnellen Wechselwunsch vom Rat in den Landtag kommentierte der Lindenthaler Friedhelm Hilgers: „Was passiert denn bei der Bundestagswahl? Entdeckst du dann plötzlich deine Leidenschaft für die Bundespolitik?“

Der herausgeforderte Porzer Landtagsabgeordnete Friedhelm Lenz (59) griff in seiner Rede den Parteichef noch einmal leidenschaftlich an. Das öffentlich umstrittene Zeitungsinterview zur Integrationspolitik habe ihn, „gelinde gesagt“, überrascht. „Ich hatte erwartet, dass der Vorsitzende einer Partei, die viele Migranten in ihren Reihen hat, sensibler mit so einem Thema umgeht.“ Stammtischparolen dürften nicht um sich greifen, weil das die latent vorhandene Ausländerfeindlichkeit fördere.

Jochen Ott räumte ein, dass die Diskussion „schmerzhaft“ sei und die Partei in Porz zerreiße. Seine „Doppelspitze“ mit Martin Börschel aber habe der Partei im Kommunalwahlkampf „ein Gesicht“ gegeben. Das wolle man im Landtagswahlkampf fortsetzen. „Ich möchte der Kölner SPD und den Menschen in Porz eine starke Stimme in Düsseldorf geben“, rief Ott dem Parteitag zu. Die Basis parierte: Mit 151 Stimmen lag Ott im Ergebnis vor seinem Konkurrenten Friedhelm Lenz (121 Stimmen).

Trotz der intensiven Öffentlichkeitsarbeit im Vorfeld „vergaß“ die Delegierte Lena Wolter vom Ortsverein Niehl am Rednerpult ihre Auseinandersetzung mit Anke Brunn und Ott (taz berichtete). Kein Delegierter fragte offen nach den Ermittlungen gegen die Ex-Ministerin wegen angeblich illegaler Finanzierung ihres Wahlkreisbüros. Gegenkandidatin Eva Gürster konnte ihr den Wahlkreis Chorweiler nicht nehmen: Brunn lag mit 171 Stimmen deutlich vor Gürster (27 Stimmen). 71 Delegierte enthielten sich aber.

Als weitere SPD-Bewerber wurden neben Ott aufgestellt: Ingrid Hack, Tayfun Keltek, Martin Börschel, Anke Brunn, Stephan Gatter und Marc Jan Eumann.