: Wirre Worthülsen
betr.: „Besetzt“, tazzwei vom 16. 12. 03
Man (hoppla: mensch) reibt sich beim Lesen der „Alles für alle!“-Seiten die Augen und fragt sich: Ist es eigentlich immer noch so, dass manche Studierende quasi mit der Immatrikulation eine Art Chip eingebaut kriegen, der sie mit beängstigender Zuverlässigkeit die immer gleichen Phrasen dreschen lässt? […]
Wer der taz vorwirft, herrschende Geschlechterverhältnisse nicht in Frage zu stellen, sollte sich zum Beispiel den letztens erschienenen Artikel von Heide Oestreich („Ich hätte gerne gehört, dass ich existiere“, taz Magazin vom 13. 12. 03) über eine ums Sorgerecht streitende Trennungsfamilie anschauen: Da wurden die herrschenden Verhältnisse vielleicht nicht direkt in Frage gestellt, aber es wurde eine konkrete Situation so lebendig, spannend und differenziert von allen Seiten beleuchtet, dass es einem beim Lesen schier den Atem raubte. Solche Artikel sind es, die aufrütteln, aber auch gleichzeitig ratlos machen angesichts einer Wirklichkeit, die eigentlich ein bisschen zu komplex ist, als dass sie sich problemlos in griffige Parolen pressen ließe. Für denjenigen, der bestehende Strukturen verändern will, sind solche Berichte aber bestimmt hilfreicher als die wirren Worthülsen des Artikels „Kein Thema?!“. […]
Die erstaunlichen Frauenverschwindungszahlen vom Studienbeginn bis zu leitenden Positionen in der deutschen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft werden – „auch das ist nicht neu und schon immer so gewesen“, hier passt der Satz wirklich hin – natürlich den „gesamtgesellschaftlichen“, wahlweise „strukturellen“ Verhältnissen angelastet. Und wer sind diese Verhältnisse? Die Kerle (gääähhn): „Trotz Quotierungen halten die Herren zusammen.“ Wenn ihr wirklich originell sein und das Rad neu erfinden wollt, dann fangt mal an einer anderen Ecke an: Knöpft euch eure Kommilitoninnen zu einem Zeitpunkt vor, zu dem sie noch einen 50-%-Anteil an den Studierenden haben, und verfolgt mal haarklein, wohin sie nach ein paar Jahren verschwinden, und vor allem: mit welchen Begründungen! Ihr werdet erstaunt sein, wie viel jammernde Bequemlichkeit und Konfliktscheuheit da zu Tage treten. […]
ALMUT STECKEL, Emmelshausen