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Archiv-Artikel

Dienstpflicht als Zivi-Ersatz

Das angekündigte Ende des Zivildienstes ruft die Freunde eines sozialen Pflichtjahres für alle auf den Plan. Baden-Württembergs CDU-Regierung und SPD-Lautsprecher Sigmar Gabriel preschen voran

VON LUKAS WALLRAFF

Wie kann man einen Ersatz für den Ersatzdienst finden? Nach der Ankündigung von Familienministerin Renate Schmidt (SPD), neben der Wehrpflicht auch den Zivildienst abschaffen zu wollen, fühlen sich die Verfechter eines sozialen Pflichtjahres bestärkt. Als erstes Bundesland arbeitet Baden-Württemberg bereits an einer entsprechenden Bundesratsinitiative.

„Der Minister möchte den Diskussionsprozess in Gang setzen“, sagte die Sprecherin von Sozialminister Friedhelm Repnik (CDU) gestern der taz. Repnik übernimmt im neuen Jahr den Vorsitz der Arbeits- und Sozialministerkonferenz der Länder.

Freiwillige Helfer, auf die Schmidt in Zukunft setzen will, könnten nicht die Lücken schließen, die sich nach dem Ende des Zivildienstes auftun, teilte Repnik in einer Presseerklärung mit. Sollten die derzeit 93.500 Zivildienststellen wegfallen, stünde die Politik vor einer „Grundsatzentscheidung, um die wir uns nicht länger drücken können“.

Um seine Forderung nach einem „Gesellschaftsjahr“ für Männer und Frauen zu untermauern, findet Repnik Worte, die einem CDU-Politiker früher nie über die Lippen gekommen wären, als Zivis noch als „Drückeberger“ galten. Nun führt Repnik ausdrücklich die „positiven Erfahrungen mit dem Zivildienst“ an, die ihn ermutigt hätten. Das Engagement für die Gemeinschaft stärke die Solidarität in der Gesellschaft und trage zur Persönlichkeitsentwicklung junger Leute bei. Außerdem würden „Schlüsselqualifikationen wie soziale Kompetenz“ vermittelt.

Unterstützung kommt von einem prominenten Sozialdemokraten aus Hannover. „Ein Jahr für Deutschland, ein Jahr für die Mitmenschen“, schreibt der niedersächsische SPD-Fraktionschef Sigmar Gabriel in seinem aktuellen Buch, „das wäre eine durchgreifende Reform der Wehr- und Zivildienstpflicht, die ihren Namen wirklich verdient.“

In seiner Partei macht sich Gabriel damit ungefähr so beliebt wie mit seinem Plädoyer für eine Vermögensteuer. Eine Dienstpflicht könne es schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geben, betont Schmidt. „Ein Pflichtjahr lehnen wir strikt ab“, sagt auch die grüne Abgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk.

Die rechtlichen Bedenken bei Rot-Grün lässt Repnik nicht gelten. Wenn man wirklich wolle, könne man ja das Grundgesetz ändern. Sein Vorstoß ist allerdings auch in der Union bisher auf ein, nun ja, verhaltenes Echo gestoßen. Das bayerische Sozialministerium etwa hält nichts von einem Pflichtjahr, da es einen „erheblichen Eingriff in die persönlichen Freiheiten“ bedeute. Außerdem sprächen auch der hohe Verwaltungsaufwand und volkswirtschaftliche Gründe dagegen, hieß es aus München. Man sei gerade dabei, die Ausbildungszeiten zu verkürzen. Ein soziales Pflichtjahr aber würde den Berufseintritt verzögern.

Es sei „noch Überzeugungsarbeit zu leisten“, räumt Repnik ein. „Die Argumente sehe ich aber überwiegend auf meiner Seite.“ Um bald konkrete Pläne präsentieren zu können, hat er eine Expertenkommission einberufen.