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Archiv-Artikel

Schoppen im Remix

Der „Internationale Frühschoppen“ ist, Pardon, Kult. Warum das so ist, zeigt die Collage „Immer wieder sonntags …“ (31. 12., WDR, 12.00 Uhr)

Aus Fehlern, „Ähs“ und Knalleffekten in der Doku einen Spaßmix gebastelt

VON JENNI ZYLKA

Frühschoppen ist ein wunderbares Wort. Wie früh kann man überhaupt mit dem Portiönchen Wein, Schoppen genannt, anfangen, ohne dass es aussieht, als ob man durchgemacht hätte? In Deutschland gilt: Sonntag mittags, nach dem Kirchgang, passt zwischen Leber und Milz immer noch ein Rebensaft.

So will es die Tradition, und so machen es seit 50 Jahren internationale JournalistInnen im „Internationalen Frühschoppen“, dem Pressetreff der ARD, erstmals ausgestrahlt am 30. August 1953, bei dem 34 Jahre lang Werner Höfer und danach wechselnde andere Gastgeber zu Gesprächen und Wein (neuerdings und wahlweise auch Apfelsaft) luden und laden.

Seit 1987, als Werner Höfer wegen des Verdachts, im Dritten Reich einen regimekonformen Artikel veröffentlicht zu haben, ausscheiden musste, heißt der Frühschoppen nur noch schnöde „Presseclub“ – die, so ein entzückter Intendant Pleitgen, „mit weitem Abstand die preiswerteste Sendung im deutschen Rundfunk“.

Unter seinem alten Namen zeigt Phoenix allerdings weiterhin die Wiederholung der illustren JournalistInnen-Runde (unregelmäßig sonntags von 12.00 bis 13.00 Uhr in Phoenix, WDR5 und SWR). Und Ende des Jahres wird der Frühschoppen in der ARD endlich und amtlich zum Wiegenfeste geehrt: Lothar Schröder hat einen Jubiläumsfilm über die Sendung gemacht, die in Form, Inhalten und Darbietung so deutsch und so zeittypisch ist, dass man sie eigentlich in jede Soziologie-Vorlesung integrieren sollte.

Schließlich war sie – zumindest anfangs – sogar fast revolutionär: „Die hatten ’ne andere Art zu diskutieren und ihre Meinung zu sagen, als das Deutsche damals taten“, erinnert sich der Fernsehjournalist und Frühschoppen-Dauergast Gerd Ruge.

Die Dokumentarcollage zeigt mit erkennbarem Genuss, woran genau das lag. Da wäre erst einmal die Sprache. Mit extremem archivarischem Aufwand und beherzt-schnellem Schnitt hat Schröder sich der mal gestelzten, mal entlarvenden und – durch seine Internationalität und die daraus resultierenden Akzente – immer wieder reizenden Tonspur angenommen, hat Fehler, Ähhs und Knalleffekte zu einem Spaßmix montiert, der kaum vermuten lässt, wie trocken die Gespräche von Journalistinnen und Journalisten manchmal im Original waren.

Dennoch ließen sich oft genug persönliche Marotten und Ticks der Journaille beobachten. Und der Humor resultierte ja gerade aus dem staubtrockenen Hintergrund, vor dem sich die Experten und – das weniger – Expertinnen stritten.

So hat Schröder formale Highlights an slapstickartige Szenen geklebt, Comicsprechblasen und Gimmicks eingebaut und das alles von Jochen Busse leutselig-amüsiert kommentieren lassen. Eine Beschleunigung, die den Rückblick tatsächlich sehr vergnüglich macht.

„Das ist alles andere als aseptisch-kühl gewesen. Rauchen traut sich heute keiner mehr, und am Weinglas wird allenfalls hin und wieder genippt“, kommentierte Fritz Pleitgen die Sitten der Siebzigerjahre. Ja, es wird selbstredend gequalmt, was die Zichten und Pfeifen hergeben, gesoffen, nachgeschenkt, das ist bekannt, von den Grazien der WDR-Kantine, die ansonsten, das ist ebenfalls bekannt, bis in die 70er hinein nicht viel mehr zu melden hatten.

Dass der Frühschoppen eine ausgesprochen männliche Veranstaltung war, versteht sich von selbst und spiegelte den Zeitgeist wider – Frauen haben erstens keine Ahnung von Politik, interessieren sich zweitens nicht dafür, haben drittens mit dem Haushalt genug am Hut, sollten sich viertens doch freuen, dass berufene Männer so eloquent über die wirklich wichtigen Dinge reden, und können fünftens glücklich sein, dass sie, wenn sie doch mal (selten) eingeladen waren, so nett und charmant von den älteren Herren bevormundet wurden.

WDR-Mann Pleitgen blickt dazu lakonisch zurück: „Meine Mutter hatte zu dieser Zeit damit zu tun, das Mittagessen vorzubereiten …“