: Sich selbst der liebste Solist
Der Saxofonist Hans Koller gehörte zu den wichtigsten Europäern im Jazz, auch wenn er privat ein Stiller war
Alles begann Ende der 40er-Jahre in Wien. Der Saxofonist Hans Koller hatte den wilden Wienern gerade gesagt, wo es langgeht. „Er war unser Godfather“, resümiert der Pianist Joe Zawinul, der in der Band von Hans Koller begann. Lennie Tristano, Stan Getz und Lee Konitz waren die Heroes jener Avantgarde. Bis dahin hatte auch Joe Zawinul vornehmlich weiße Jazzmusiker gehört, Platten waren im Nachkriegswien eh schwer zu bekommen. Doch dann hörte Zawinul Oscar Peterson und entdeckte den Unterschied zwischen schwarzem und weißem Ausdruck. „Wir wurden tatsächlich zu Rassisten“, sagt er rückblickend. „Wir wollten auf einmal nur noch die schwarzen Jazzmusiker hören.“
Der Saxofonist Hans Koller widerstand den Reizen des schwarzen Amerikas. Er blieb in Österreich und Deutschland, auch noch nachdem er mit Benny Goodman und Dizzy Gillespie gespielt hatte. 1960 beim Jazzfestival in Antibes wurde er gar zum besten Solisten gewählt – und die Angebote aus den USA rissen nicht ab. Ein bemerkenswerter Aufstieg: Koller, 1921 in Wien geboren, studierte schon als 14-Jähriger an der Wiener Musikakademie. Laut Gerüchten wurde er als einer der Letzten aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft entlassen, weil seine Lagerband so gut gewesen sein soll. In Wien gründete er 1947 den Hot Club Vienna, in Deutschland tourte er Anfang der 50er-Jahre mit Hans Kollers New Jazz Stars.
Mitte der 60er-Jahre erschien beim deutschen Label MPS die Platte „Zoller Koller Solal“, die den großen Durchbruch bringen sollte. Joachim-Ernst Berendt hatte hier als Produzent die Idee realisiert, eine Platte mit Saxofon, Gitarre und Klavier aber ohne Bass und Schlagzeug zu machen. Der Gitarrist Attila Zoller und der Pianist Martial Solal waren wie Koller namhafte Vertreter der europäischen Jazzszene, trotzdem verlieh die amerikanische Fachzeitschrift Down Beat ihrer Platte die selten vergebene Höchstwertung von fünf Sternen.
Immer wieder spielte Koller mit amerikanischen Jazzstars, wenn die sich gerade in Europa aufhielten. Zu den noch erhältlichen Aufnahmen gehört das Album des Bassisten Oscar Pettiford „Vienna Blues“ und die 1965 erschienene Platte des Gitarristen Wes Montgomery „Live in Europe“.
Zwanzig Jahre lang war Koller einer der Repräsentanten des German Jazz, bis er Anfang der Siebziger nach Wien zurückkehrte. „Stillstand im Jazz ist ein Rückschritt“, sagte der Saxofonist, der sich von der Cool-Ästhetik über John Coltrane zur Free Form der frühen 70er weiterentwickelt hatte.
In den 80er-Jahren wandte sich Koller zunehmend der Malerei zu. Vor drei Wochen ging der nach Koller benannte österreichische Jazzpreis an den Gitarristen Wolfgang Muthspiel. Am Montag starb Koller 82-jährig in Wien an den Folgen einer Lungenentzündung. Gerade sind sechs wichtige Platten, die er für MPS aufgenommen hat, wieder veröffentlicht worden.
CHRISTIAN BROECKING