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Archiv-Artikel

Irrelevantes Gremium

Der britische Muslimische Rat hat keinen Draht zu jungen Muslimen

„Ob es uns gefällt oder nicht: Extremistische Positionensind sehr behaglich“

DUBLIN taz ■ Die Integration von Muslimen in die britische Gesellschaft sei doch ein „Wunschtraum“, meint Shalima, eine junge indischstämmige Britin aus Bradford. „Zu Thatchers Zeiten haben sie den Kricket-Test vorgeschlagen“, sagt sie, „viele junge Muslime spielen heutzutage Kricket, aber das nützt ihnen nichts.“

Norman Tebbitt, der Einpeitscher der damaligen Tory-Premierministerin Margaret Thatcher, hatte einst vorgeschlagen, die „Britishness“ der Immigranten anhand ihrer Kenntnisse des britischsten aller Spiele zu überprüfen. „Aber die jungen Muslime sind in Großbritannien geboren, sie sind mit Kricket aufgewachsen, ihre Muttersprache ist Englisch“, sagt Shalima. „Die Sprache verhindert ihre Integration nicht.“

Selbst die Tories haben inzwischen gemerkt, dass Muslime in Großbritannien seit den Terroranschlägen in den USA viel stärker als zuvor diskriminiert werden. „Eine ganze Glaubensgemeinschaft muss die Taten einiger weniger übler Männer ausbaden“, sagte Tory-Chef Michael Howard. Seine Partei will nun Vorschläge für Antidiskriminierungsgesetze vorlegen, die speziell auf Muslime ausgerichtet sind. Die meisten von ihnen glauben jedoch nicht, dass sich durch Gesetze etwas ändern könnte. Laut einer Umfrage nach dem Mord an Theo van Gogh haben nur 8 Prozent aller Muslime in Großbritannien das Gefühl, dass sie auf der Insel respektiert werden.

„Es fehlen Führungspersönlichkeiten“, sagt Shalima dazu. „Der Muslimische Rat ist irrelevant für junge Muslime.“ Er besteht zwar aus 400 Organisationen, verfügt über ausreichende finanzielle Mittel und findet Gehör bei der Regierung. Aber die Führung des Rates besteht aus alten Männern, die im Ausland geboren sind und nicht die geringste Ahnung von den Lebensbedingungen der Jugendlichen vor Ort haben.

Diese Lücke werde von Islamisten gefüllt, die eine schnelle Lösung versprechen, meint die muslimische Journalistin Fareena Alam. „Die Welt der militanten Gruppen ist schwarz-weiß, ihr Streben nach einem reinen Islam wird von ausländischen Öldollars finanziert“, sagt sie. „Ob es uns gefällt oder nicht: Extremistische Positionen sind sehr behaglich.“ RALF SOTSCHECK