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Archiv-Artikel

„Der Westen benutzt uns als Vogelscheuche“

Tomislav Nikolić, Spitzenkandidat der Serbischen Radikalen Partei (SRS), glaubt fest an seinen Wahlsieg

taz: Wie erklären Sie sich den enormen Aufschwung der SRS?

Tomislav Nikolić: Die regierende Koalition DOS hat ihre starke Position durch brutale kapitalistische Methoden, die Verbindung zum organisierten Verbrechen und Korruption ruiniert. Dazu kommt die katastrophale wirtschaftliche Lage. Über ein Jahr erhält sich die DOS schon durch kriminelle Machenschaften im Parlament künstlich an der Macht. All das hat dazu geführt, dass das Volk größtenteils den Radikalen vertraut. Wir werden sicher die stärkste Partei in Serbien.

Warum schließen denn die meisten Parteien eine Koalition mit der SRS nach den Wahlen aus?

Die Begründung heißt meistens, dass der Westen die SRS nicht an der Macht sehen will. Doch der Westen hat sich dazu gar nicht geäußert. Das wäre grobes Einmischen in die serbische Innenpolitik, was der Westen allerdings unverhüllt getan hat, während Milošević an der Macht war. Jetzt tun es die westlichen Staaten heimlich. Seit dreizehn Jahren benutzt man die SRS als Vogelscheuche, damit andere Parteien im Vergleich zu uns nett ausschauen. Es nützt aber nichts. Wenn man uns aus der Regierung nach diesen Wahlen ausschließt, dann werden sich alle anderen vereinigen müssen, um eine ausreichende Mehrheit im Parlament zu haben.

Wollen Sie die Territorien Kroatiens, in denen vor dem Krieg mehrheitlich Serben gelebt haben, wieder unter serbische Herrschaft bringen?

Ja. Aber davor muss den aus Kroatien verbrecherisch vertriebenen Serben ermöglicht werden, in ihre Heimat zurückzukehren. Das mag wie eine kriegerische Idee klingen, ist es aber nicht. Aufgrund des europäischen Rechts muss Kroatien die Rückkehr der Flüchtlinge ermöglichen, und dann werden die Serben ihr Recht auf Selbstbestimmung verwirklichen können.

Und was ist mit dem Kosovo?

Wir werden auf der Rückkehr einer begrenzten Anzahl der serbischen Polizei und der Streitkräfte in den Kosovo bestehen, und szwar in serbische Dörfer, um die verbliebenen Serben gegen den albanischen Terrorismus zu verteidigen. Von mir aus könnten sie auch unter dem Kommando der UN stehen.

Wenn Sie an die Macht kommen, werden Sie mit dem UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen zusammenarbeiten?

Ja, aber genau so, wie es die regierende DOS jetzt macht. Sie wagen es nämlich nicht, vier angeklagte serbische Generäle auszuliefern, weil sie sonst keine einzige Stimme in Serbien bekommen würden. Und das Tribunal erwähnt das nicht einmal, also wird man wohl eine Radikale Regierung auch nicht unter Druck setzten. Wir würden dem Tribunal ausschließlich Prozesse in Serbien anbieten.

INTERVIEW: ANDREJ IVANJI