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Archiv-Artikel

Och, wir schenken uns nix

Auch das Weihnachtsfest kurbelt den Konsum nicht an – trotz mahnender Worte des Kanzlers.Und trotz steigender Geschenke-Geilheit. Versagen die Verbraucher? Oder sind sie klüger geworden?

VON ANJA MAIER

„Auf Weihnachten freu ich mich, wegen den freien Tagen, dem guten Essen und natürlich auch wegen dem gemütlichen Abend im Kreise der Familie. Ein Weihnachtsbaum im Wohnzimmer darf nicht fehlen. Was ich da feier, ist eigentlich die Freude über die Geschenke.“Goth-Lehrling „Celas“ im gothcommunity.de-Forum

Wenn im siebenten rot-grünen Jahr selbst dunkle Gothic-Lehrlinge wie Celas bereit sind, sich mit der Familie unterm Weihnachtsbaum zu versammeln, dürfte dies der Beweis sein, dass Weihnachten selbst schwarz gewandete, gefärbte und fingernagellackierte Jugendliche geil macht. Geil auf Geschenke.

Der Gang durchs Kaufhaus zeigt jedoch: es ist verhältnismäßig ungeil. Die Kassen piepen unaufgeregt vor sich hin, Verkäuferinnen haben Zeit fürs Beratungsgespräch. In der Spielwarenabteilung stapeln sich die Barbiehäuser und Playmo-Burgen im Sonderangebot, und die Trivial Pursuit Family Edition gibt’s für 37 statt 46 Euro. Oder soll’s ein Plasmafernseher für 2.000 statt 3.500 Euro sein? In diesem Preissegment hört allerdings der Spaß auf. Laut einer aktuellen Spiegel-Umfrage wollen in diesem Jahr nur zehn Prozent der Kunden mehr Geld für Weihnachtsgeschenke ausgeben, 52 Prozent sogar weniger.

Der Konsument versagt

Diese Zahlen dürften den Hauptverband des deutschen Einzelhandels (HDE) wenig freuen. Dennoch: „Wir sind gut im Rennen“, lässt HDE-Sprecher Hubertus Pellengahr umgehend wissen. Man erwarte für das 4. Adventwochenende den Höhepunkt des Weihnachtsgeschäfts. Dann wolle man „einen Teil der einen Milliarde Euro, die wir im Vergleich zum Vorjahr mehr machen wollen“, einnehmen.

Was stimmt denn nun? Konsumflaute oder rasender Absatz? Aufgeführt wird hier das alljährliche Weihnachtsspiel: Bis zum 24. Dezember sind die Interessenverbände damit beschäftigt, das Konsumverhalten der Deutschen gesundzubeten. Kurz nach Silvester erreicht selbige die seit 1999 immer gleiche niederschmetternde Nachricht: Der deutsche Einzelhandel schreibt – wieder mal – rote Zahlen. All die ausgeschöpften Dispokredite, alle hastig gekauften Handys und Spielekonsolen helfen der schwächelnden Bilanz nicht auf. Der Konsument – ein Versager.

Und tatsächlich: urbane Patchworkfamilien und Singles unterm elterlichen Christbaum schenken sich – laut einer nicht repräsentativen Blitzumfrage – meist „nur was Kleines“. Ein Buch, eine handgezogene Kerze, Wein. Unabweisbare Anschaffungen für die Kinder – ein neues Fahrrad, die Skireise in den Winterferien – werden oft von den Großeltern finanziert. Gehalt oder Honorare werden lieber in eine Gans vom Biometzger investiert oder in einen Mietwagen, um über die Festtage zur Verwandtschaft zu fahren. Für größere Investitionen wartet man auf den neuen Aldi-PC.

Die Abrechnung kommt

Alles in allem kein kritikwürdiges Verhalten. Schließlich ist es nicht Bürgerpflicht, sich im Dezember für prestigeträchtige Geschenke zu verschulden – in dem Wissen, dass pünktlich am 1. Januar die Haftpflichtversicherung, die Quartalsgebühr für den Musikschulunterricht der Kinder abgebucht werden und spätestens am 15. die Jahresendabrechnung der Stadtwerke im Briefkasten liegt. Ist dieses Finanzloch dann Mitte Mai überwunden, können Konsumenten auch über die Anschaffung des Plasmafernsehers nachdenken – der dann noch 1.750 Euro kosten wird.

Wenn Interessenvertreter wie das HDE oder jüngst der Kanzler mangelnde Konsumbegeisterung beklagen, will es stets scheinen, als hätte jeder Bundesbürger eigentlich gebündelte Tausend-Euro-Scheine in seine Matratze eingenäht. „Rückt endlich eure Sparmillionen raus“, lautet die unverblümte Botschaft auch an die mehr als drei Millionen Menschen, die ab 1. Januar 2005 Arbeitslosengeld II beziehen werden.

Die könnten sich dann überlegen, bis zum nächsten Weihnachtsfest ihre Geschenke vom diesjährigen Fest bei eBay zu verticken. Oder sie üben sich in Understatement. „Och, wir schenken uns nix mehr“, lautet eine gut gepflegte Satzstanze lange liierter Paare. Intelligenter Konsumverzicht oder das Ergebnis verpaarten Überdrusses? Auf jeden Fall ein Trend, dem der Hauptverband des deutschen Einzelhandels vorbeugen sollte. Ein Anfang wäre, im Januar 2005 auf die Pressemitteilung zu verzichten, dass der Konsument in der Vorweihnachtszeit wieder mal das Umsatzziel der Handelskonzerne verfehlt hat.