Kids-Kammern gähnend leer

Kinder- und Jugendparlamente sollten dem NRW-Nachwuchs mehr Demokratie, mehr Spaß an der Politik bringen. Doch die machtlosen Kammern leiden unter Wahlenthaltung und Desinteresse

VON MARTIN TEIGELER

Statt mehr Demokratie haben die Jugend- und Kinderparlamente in NRW ganz viel Apathie produziert. Die rund 30 gewählten Kammern im Land haben kaum Einflussmöglichkeiten, engagierte Jugendliche sind lieber in anderen Bereichen aktiv. „Das sind leider Pseudo-Parlamente“, sagt Daniel Schily vom Verein „Mehr Demokratie“. Nur gut ein Drittel der jungen NRW-Bürger zwischen zehn und 18 Jahren beteiligt sich an den Wahlen für die Nachwuchsparlamente. Als erste Kommune hat nun Hattingen über eine Beendigung des Experiments Jugendparlament nachgedacht. „Andere Beteiligungsformen wären besser“, sagt Olaf Conzen vom Hattinger Jugendamt.

Das seit fünf Jahren bestehende Jugendparlament in der Ruhrgebietsstadt wurde zuletzt im März 2002 gewählt. Wahlberechtigt waren alle Besucher der weiterführenden Schulen in Hattingen. „Die Beteiligung pendelte zwischen 30 und 50 Prozent“, sagt Olaf Conzen. Auch das Engagement der 32 Parlamentarier sei durchwachsen. Viele Schüler hätten sich bereits aus dem Organ zurückgezogen, berichtet Conzen. Doch die jungen Interessenvertreter wehren sich gegen das Ende ihres Forums. Vor dem Hattinger Jugendhilfeausschuss forderte die 14-jährige Parlamentarierin Gesa Kiesewetter Ende November „mehr Unterstützung der Erwachsenen“. Die Politik folgte den Kinderwünschen und gibt der Kammer nun eine zweite Chance. Der schmale 2.500-Euro-Etat des Parlaments wurde jedoch nicht aufgestockt.

„Ich verstehe die Überlegungen der Hattinger Stadtverwaltung“, sagt Daniel Schily von „Mehr Demokratie“. Die Jugendparlamente hätten keine wirkliche Macht, sie könnten die Kommunalpolitiker nur beraten und Empfehlungen geben. „Für derart künstliche Konstruktionen haben gerade junge Leute ein Gespür“, sagt Schily. Diese Form der Beteiligung frustriere viele Jugendliche, statt sie in politische Entscheidungsprozesse wirklich einzubinden. Die Städte sollten besser konkrete Beteiligungsprojekte für junge Bürger organisieren. „Leipzig hat mit Jugendlichen vorbildlich eine Halfpipe geplant“, sagt Daniel Schily. Auch Rathauspraktika und kindgerechte Veranstaltungen seien besser als die machtlosen Jugendparlamente.

Christina Vielhaber, Sprecherin des NRW-Schulministeriums, verteidigt die Kinderparlamente: „Das sind sehr wichtige Einrichtungen, die wir auch finanziell fördern.“ Für derartige Kammern und andere Formen demokratischer Teilhabe für Jugendliche spendiert das Land NRW derzeit knapp 140.000 Euro im Jahr. Dass nur zwanzig von dreißig Parlamenten momentan arbeiten, liege an der hohen Fluktuation der Nachwuchs-Abgeordneten, sagt Vielhaber. Es gebe aber in Städten wie Herne und Solingen auch gut funktionierende Kinderkammern.

In Hattingen will die Stadt jetzt beobachten, ob das Parlament besser funktioniert. „Es gab durchaus auch positive Ergebnisse der Arbeit“, sagt Jugendamts-Mitarbeiter Olaf Conzen. So hätten sich über 30 Kinder und Jugendliche an der Planungswerkstatt zur Planung einer Freizeitfläche im Gewerbe- und Landschaftspark Henrichshütte beteiligt. Deren Ergebnisse flossen in die offizielle Stadtplanung ein. „Das müssen wir jetzt ausbauen“, sagt Conzen. Schon Anfang 2004 müssen Hattingens Schüler beweisen, dass sie auf ihr Jugendparlament überhaupt Wert legen. Dann stehen turnusgemäß Neuwahlen an. Olaf Conzen bezweifelt, dass das Parlament plötzlich zum Renner wird. „Ich bin mal gespannt, ob genügend Kinder und Jugendliche zur Wahl antreten.“