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Archiv-Artikel

Otto Schily als geheimer Fahnder

Mzoudi-Prozess: Bundesinnenminister wollte Freilassung des „Terrorhelfers“ verhindern und forderte dafür erfolglos weiteres Belastungsmaterial von den US-Behörden an

Innenminister Schily befürchtete, das Oberlandesgericht könnte Mzoudi freisprechen

Die Einflussnahme von US- und bundesdeutschen Sicherheitsbehörden auf das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) nimmt im zweiten Prozess um die Anschläge vom 11. September 2001 immer größere Dimensionen an. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hat nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel versucht, eine Freilassung des Angeklagten Abdelghani Mzoudi durch das OLG zu verhindern. Bei einem Geheimtreffen mit US-Justizminister John Ashcroft Anfang Dezember in den USA hatte Schily die Befürchtung geäußert, dass die streng geheimgehaltenen und zurzeit nur dem Bundeskriminalamt (BKA) und dem Bundesnachrichtendienst (BND) vorliegenden US-Aussageprotokolle des mutmaßlichen Chefplaners Ramzi Binalshibh dahingehend gewertet werden könnten, dass das OLG den angeblichen „Terrorhelfer“ Mzoudi freispricht.

Es war schon länger vermutet worden, dass Binalshibh in Verhören vor der Bundespolizei FBI und den US-Geheimdiensten CIA und NSA zuletzt angegeben hatte, nur er und die drei Todespiloten Mohammed Atta, Marwan Al Shehhi und Ziad Jarrah in Hamburg seien an den Planungen der Anschläge beteiligt gewesen. Sämtliche ihrer Freunde seien von den Vorbereitungen abgeschottet worden. Das hatte auch der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, später vor Gericht indirekt bestätigt.

Schily wollte nun von den USA die Herausgabe weiterer Unterlagen erwirken, die Mzoudi belasten könnten. Denn die Ermittler hegten die Hoffnung, dass Binalshibh in früheren geheimdienstlichen Verhören andere Aussagen über die Zusammensetzung der „Hamburger Zelle“ gemacht haben könnte. Doch Ashcroft lehnte das Begehren des Bundesinnenministers ab, da – wie die taz berichtete – auch US-Gerichten die Vernehmung Binalshibhs durch das Weiße Haus untersagt worden sei.

Der Vorsitzende des OLG-Staatsschutzsenats, Klaus Rühle, hatte im Verfahren gegen Mzoudi über Wochen versucht, an die Binalshibh-Protokolle zu kommen. In einem Telefonat zeigte jedoch der Koordinator der Geheimdienste im Bundeskanzleramt, Hamburgs Ex-Verfassungsschutz-Chef Ernst Uhrlau, Rühle die kalte Schulter. „Herr Uhrlau verwies mich darauf, dass das Bundesinnenministerium mit der Sache befasst sei“ und er sich darum nicht kümmern wolle, berichtete Rühle in der Verhandlung. „Am Vormittag des 9.12.03 teilte mir Herr Dr. Olizeck vom Bundesinnenministerium auf telefonische Anfrage mit“, so Rühle weiter, „über unser Ersuchen sei noch nicht entschieden worden, da die Antwort der US-Behörden noch ausstehe.“

Als dann am 11. Dezember der BKA-Abteilungspräsident, Jürgen Maurer, dem Gericht einen entlastenden Vermerk für Mzoudi übermittelte, setzte das OLG den Marokkaner kurzerhand auf freien Fuß. PETER MÜLLER