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Archiv-Artikel

Millionen Dollar in deutschem Müll

US-Investor kauft den gelben Sack. Höchste Zeit, das Duale System für Verpackungsabfall zu reformieren, sagen Politiker von SPD und Grünen. Noch zahlt jeder Verbraucher durchschnittlich 20 Euro pro Jahr an die Firma – was die neuen Besitzer freut

VON HANNA GERSMANN

Bye-bye, grüner Punkt: Für mehr als eine Viertelmilliarde Euro will der New Yorker Finanzinvestor Kohlberg Kravis Roberts (KKR) den Kölner Entsorgungsriesen Duales System Deutschland kaufen. Seit gestern ist die Übernahme beschlossene Sache: Die 550 Aktionäre des Dualen Systems (DSD), darunter Metro, Kaufring und Tchibo, stimmten der Umstrukturierung des Unternehmens zu. Der gelbe Sack in den Händen eines profitorientierten Unternehmens? Spätestens jetzt müsse das Müllsystem reformiert werden, forderten gestern Politiker und Umweltschützer.

Schon heute lässt sich mit den Verpackungen, die in den gelben Säcken landen, gutes Geld verdienen. Jede Firma, die ihr Produkt in Dosen, Schachteln und Tuben verkauft, entrichtet an das Duale System Deutschland eine Lizenzgebühr. Für einen Joghurtbecher etwa fallen 1,9 Cent an. So kassierte das DSD allein im letzten Jahr knapp 2 Milliarden Euro. Die Hersteller schlagen die Kosten auf den Preis auf. Deshalb zahlt indirekt der Bürger für den Aufdruck mit dem grünen Recyclingpfeil – pro Jahr im Durchschnitt 20 Euro.

„Das DSD ist eine Gelddruckmaschine“, kritisiert Antje Vogel-Sperl, Umweltexpertin der Grünen. Formal habe das bisher gemeinnützige Unternehmen keine Gewinne machen dürfen. Dafür habe es in den letzten Jahren üppige Rücklagen von 836 Millionen Euro gebildet. Vogel-Sperl: „Dieses Geld steht Verbrauchern und Umweltschutz zu.“

Nicht nur sie fordert, dass die fetten DSD-Jahre vorbei sein sollen. Unlängst wurden die Bonner Kartellwächter auf den Entsorgungsriesen aufmerksam. Erstens hatte er mit rund 500 kommunalen und privaten Entsorgern, die den Müll sammeln und recyceln, zu langfristige, lukrative Verträge geschlossen. Sie mussten neu ausgeschrieben werden. Zweitens saßen Vertreter aus der Entsorgungsbranche wie Ex-RWE-Mann Bernard Kemper im Aufsichtsrat. Sie wurden ausgewechselt.

Blieb bislang drittens: Beim Müllmonopolisten sind die Großen des Handels und der Industrie sowohl Kunden als auch Hauptaktionäre. Auch diese Verflechtung wollte das Kartellamt aufgehoben sehen und drohte mit Zerschlagung. Nun bietet KKR insgesamt 260 Millionen Euro für den grünen Punkt. Der weltweit größte Finanzinvestor ist derzeit in Deutschland mehrfach auf Schnäppchenjagd und hat sich etwa bei A.T.U und Dynamit Nobel eingekauft.

Die konkrete Offerte für die Gelber-Sack-Aktionäre: 468.250 Euro für fünf Anteile. Das ist das 180fache des einstigen Kaufpreises. Der Investor bestreitet gerade mal 40 Prozent aus eigenen Mitteln, der Rest wird durch Bankkredite finanziert. Dass das lukrative Angebot, das bis zum 23. Dezember läuft, angenommen wurde, wundert nicht.

Dafür zeigte sich der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Müller verärgert: „KKR hat keinerlei Erfahrung mit Abfall“, sagte er. Außerdem hätten sich die Amerikaner in ihren langfristigen Renditeerwartungen getäuscht. Die rot-grüne Regierung werde wieder stärker in das Entsorgungsgeschäft eingreifen. Er will eine Abgabe für Verpackungen fordern – je umweltschädlicher das Material, desto höher die Gebühr. Doch ist dieser Vorschlag nicht neu – und hatte bisher noch nie Erfolg.

Somit ändert sich für den Verbraucher zunächst einmal nichts. Susanne Hempen, Abfallexpertin beim Umweltverband NABU, rechnet allerdings damit, dass unter KKR-Regie weniger Verpackungen recycelt werden. Ein Investor werde nicht so viel Geld in effiziente Sortierroboter stecken wie das DSD. Das tüftelte jüngst gar an einer Technik, die den gelben Sack überflüssig machen soll. Der Grüne-Punkt-Müll käme mit in den Hausmüll. Maschinen übernähmen das Sortieren. Noch ist das aber nicht serienreif. Auch mit einer anderen Hoffnung macht Hempen Schluss: „Billiger wird es nicht.“ Selbst wenn KKR die Gebühren senke, käme der Preisabschlag nicht an der Ladentheke an.