: Renate Schmidt traut Eltern über vierzig
Familienministerin fordert: Auch ältere Paare sollen ein Kind adoptieren dürfen. Altersgrenze nicht zeitgemäß
BERLIN taz ■ Renate Schmidt will Adoptionen erleichtern. Auch ältere Paare sollen ein fremdes Kind annehmen dürfen, findet die Bundesfamilienministerin – gerade in einer Zeit der rüstigen Rentner und späten Familiengründer. „Es gehört zu einer Gesellschaft des längeren Lebens, dass es nicht nur junge Eltern gibt“, sagte die SPD-Politikerin. Derzeit überarbeite das Ministerium die Adoptionsrichtlinien, um sie den Erfordernissen der Zeit anzupassen.
Zwar gibt es kein Gesetz, das Mittvierzigern die Adoption verbietet. Die Jugendämter selbst entscheiden, wann ihnen ein Paar als zu betagt erscheint. Ihre Regeln aber sind streng. Noch vor wenigen Jahren galt eine 35-Jährige als das Äußerste, was sie einem Baby zumuten wollten. Heute sind die Vermittler oft toleranter. Ein Kind sollte etwa 35 bis 40 Jahre jünger sein als seine Eltern, empfehlen die Landesjugendämter.
Ein Paar über 40 hat also nach wie vor kaum eine Chance auf ein Kind. Dies gilt vielen als zu starr. Gerade seit Bundeskanzler Gerhard Schröder (60) mit seiner 41-jährigen Frau ein russisches Mädchen adoptierte, diskutiert die Fachwelt über den Sinn des Jugendgebots für Adoptiveltern.
Auch eine großzügigere Altersgrenze aber könnte nicht das Hauptproblem der Adoptionswilligen lösen: den Kindermangel. Derzeit gibt es 13 Bewerber für ein Baby. Die Lage verschärft sich von Jahr zu Jahr. So wurden vor einem Jahrzehnt noch etwa 8.500 Kinder pro Jahr adoptiert. Im vergangenen Jahr waren es nur 5.336. Etwa jedes dritte Kind stammt aus dem Ausland. Den Nachwuchs für immer wegzugeben ist in Deutschland nicht mehr populär. Der Blick in die Statistik belegt: In mehr als der Hälfte der Fälle adoptieren lediglich der Stiefvater oder die Stiefmutter das Kind des Partners. Nur in etwa zwei Fünfteln aller Fälle adoptieren Eltern ein fremdes Kind
Renate Schmidt fordert nun neue Wege gegen die Adoptionsflaute. Ihr Vorschlag: Die Jugendämter sollten stärker die so genannte offene Adoption propagieren. Bei dieser Variante wissen die leiblichen Eltern, wo ihr Kind lebt. Auch das Kind kennt den Namen der Eltern. Sie können Fotos austauschen und Treffen verabreden. Eine andere Form ist die „halboffene Adoption“: Hier vermittelt das Jugendamt den Kontakt. Beide Varianten sind noch wenig verbreitet, gelten aber als mögliches Mittel gegen einen Missstand, der momentan für niedrige Adoptionszahlen sorgt: Viele Mütter geben ihr Kind dauerhaft in Pflege, scheuen aber die Freigabe zur Adoption – und die Pflegeeltern leben in ständiger Ungewissheit.
Renate Schmidt sieht in den offenen Adoptionen auch einen Gewinn für das Kind. Zwar müssten die Adoptiveltern den Nachwuchs ein stückweit teilen. Das Kind aber wisse, wo es herkommt, und sei daher stabiler. Die Ministerin gibt sich optimistisch: „Das kann etwas Wunderbares sein.“ COSIMA SCHMITT