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Archiv-Artikel

Parmalat-Gründer in Haft

Staatsanwaltschaft hält den Exchef und Mehrheitseigner des insolventen italienischen Konzerns für den Hauptschuldigen im bislang größten europäischen Bilanzskandal

AUS BONN MICHAEL BRAUN

Die Staatsanwaltschaft Parma hat am Samstag Calisto Tanzi festgenommen. Sie wirft dem Gründer und Mehrheitseigner des insolventen italienischen Lebensmittelkonzerns Parmalat vor, eine kriminelle Vereinigung mit dem Ziel des betrügerischen Bankrotts gegründet zu haben. Außerdem wird er sich wegen Betrugs und Börsenbetrugs verantworten müssen.

Tanzi ist nach der Vernehmung zahlreicher Zeugen nach Einschätzung der Ermittler der Hauptschuldige an dem Parmalat-Zusammenbruch. Vor zehn Tagen war bekannt geworden, dass in der Bilanz des Lebensmittelproduzenten eine durch massive Fälschungen der Buchungsunterlagen vertuschte Lücke von mindestens 7 Milliarden Euro klafft.

Tanzi soll Summen von bis zu 1,7 Milliarden Euro auch auf ein Privatkonto der Familie abgezweigt haben. Vor allem aber wird ihm zur Last gelegt, dass er um das Unternehmen Parmalat herum in den letzten Jahren ein weit verzweigtes Schwindelimperium errichtet hat, um die bei der Expansion des Unternehmens entstandenen enormen Verluste zu verdecken und mit waghalsigen Spekulationen die Löcher zu stopfen, die darüber jedoch immer größer wurden.

Große Verluste soll Parmalat insbesondere im USA- und im Lateinamerika-Geschäft angehäuft haben. Dort wollte das Unternehmen sein Hauptprodukt, die H-Milch, in den Markt drücken, scheiterte aber an der Fixierung der Verbraucher auf Frischmilch.

Die Insolvenz hatte ein Gericht in Parma ebenfalls am Samstag festgestellt. Damit sind die Voraussetzungen für die vom neuen Firmenchef Enrico Bondi angestrebte Rettungsaktion gegeben, bei der ihn die Regierung unterstützen wird. Denn die Firma genießt jetzt Gläubigerschutz und kann ihre Lieferanten – vorneweg die 5.000 für Parmalat arbeitenden Milchbauern – vorrangig bezahlen, ohne ihre Finanzschulden bedienen zu müssen.

Bondi, den die Regierung dem italienischen Insolvenzrecht folgend schon als kommissarischen Firmenleiter eingesetzt hat, will schon in den nächsten Wochen einen Rettungsplan für das Unternehmen vorlegen, das in 30 Ländern 36.000 Menschen beschäftigt.

Derweil wächst bei den Konkurrenten offenbar der Appetit wenigstens auf die Filetstücke des Parmalat-Konzerns. Die französische Danone reagierte mit einem Dementi auf die Meldung, sie sei an der Käse- und Joghurtproduktion von Parmalat interessiert.

Der italienische Milchkonzern Granarolo dagegen signalisierte die Bereitschaft, an einer nationalen Lösung der Krise mitzustricken, um zu verhindern, dass Parmalat „in den Händen der großen nordeuropäischen Konzerne landet“.

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