: Neue Chancen für Fälscher
Mit automatischen Kameras wollen die Innenminister Nummernschilder erfassen. Gegen Straftäter hilft das nur, wenn sie mit echtem Kennzeichen unterwegs sind
FREIBURG taz ■ An ihrem Nummernschild werdet Ihr sie erkennen. Künftig sollen an Autobahnbrücken und Grenzübergängen die Kfz-Kennzeichen von vorüberfahrenden Wagen automatisch geblitzt und mit dem Fahndungscomputer abgeglichen werden. Dies sieht ein Papier vor, das nach einem Bericht des Spiegel schon seit Juli von der Innenministerkonferenz beraten wird. So könnten flüchtende Straftäter, aber auch gestohlene Fahrzeuge leicht identifiziert werden.
Ein im Frühjahr beendeter bayerischer Modellversuch zeigte, wie es geht. Mit automatisierten Digitalkameras wurden die Kennzeichen am deutsch-tschechischen Grenzübergang Waidhaus und auf der Autobahn München-Salzburg erfasst. Der Infrarotblitz der Überwachungskamera war für die Fahrer unsichtbar. Fand sich ein Nummernschild im Fahndungscomputer, griff die Polizei zu. Europaweit sind rund 800.000 Kennzeichen zur Fahndung ausgeschrieben.
Die Überlegungen der Minister geraten jetzt ins Licht der Öffentlichkeit, weil Überwachungskameras am neuen Rennsteigtunnel in installiert wurden. Der Thüringer Innenminister Andreas Trautvetter (CDU) hatte im Landtag erklärt, er wisse davon nichts.
Der bayerische Datenschutzbeauftragte Reinhard Vetter hat gegen den automatischen Abgleich der Nummernschilder keine Bedenken. Es müsse aber eine gesetzliche Grundlage geben, die Kennzeichen von unverdächtigen Fahrern dürften nicht gespeichert werden. Bewegungsbilder sollen mit der neuen Technik nicht erstellt werden. Sind die Digitalkameras erst einmal flächendeckend installiert, wäre auch eine zentrale Speicherung der Daten leicht möglich. Aus ähnlichen Gründen gilt auch das geplante satellitengestützte Maut-System als bedenklich.
Nach Angaben des Spiegel wird der Abgleich der Kennzeichen bereits in England, Frankreich und der Schweiz angewandt. In Deutschland gibt es aber noch keine Rechtsgrundlage. Für den Einsatz bei der Strafverfolgung wäre eine Regelung in der Strafprozessordnung erforderlich. Zur Abwehr von Gefahren müste die neue Technologie in den Polizeigesetzen der Länder verankert werden. Es gibt aber auch die Ansicht, dass bereits bestehende gesetzliche Vorschriften ausreichen.
Hessens Innenminister Volker Bouffier plant allerdings eine Änderung des Polizeigesetzes. Auch in Bayern ist eine Neuregelung geplant. Die CSU will die neue Methode auch an gefährdeten Orten wie Flughäfen, Bahnhöfen und Kernkraftwerken einsetzen. Außerdem sollen „bekannte Störer“ vor Demonstrationen ausgefiltert werden.
Je bekannter die neue Fahndungsmethode ist, um so eher wird sie umgangen werden. Die Digitalkameras können zwar auch verschmutzte Kennzeichen lesen. Ob ein Nummernschild aber gefälscht ist, können sie nicht erkennen. Die Pläne der Innenminister sind also vor allem eine Gefahr für unprofessionelle Gangster. Dagegen dürften sich Nummernschild-Fälscher über das Beschäftigungsprogramm freuen. CHRISTIAN RATH
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