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Archiv-Artikel

Polizei bekommt Recht

Innensenator Udo Nagel präsentiert stolz sein repressives Polizeigesetz. Nur Berufsgeheimnisträger bleiben vor Abhörmaßnahmen geschützt

von Marco Carini

Vom „schärfsten und härtesten“ Polizeigesetz mag Udo Nagel nicht sprechen. Sein neues Polizeirecht, das im Sommer 2005 in Kraft treten soll, belegt der Innensenator lieber mit den dehnbaren Attributen „modern und effektiv“. Doch das Regelwerk, das der Senat gestern beschloss, ist im bundesweiten Vergleich das wohl repressivste seiner Art: In allen neu geregelten Bereichen dehnt Hamburg die Polizeibefugnisse so weit aus wie kaum ein anderes Bundesland.

Kernpunkte der Novelle sind zu zwölf Monate gültige Aufenthaltsverbote und die Verlängerung des „Unterbindungsgewahrsams“ auf maximal zwei Wochen. Beide Maßnahmen können zwar nur auf richterlichen Beschluss angeordnet werden, bewegen sich aber bundesweit an der absoluten zeitlichen Obergrenze. Das Aufenthaltsverbot kann für jeden beliebigen Bereich Hamburgs ausgesprochen werden und zielt, wie auch der Unterbindungsgewahrsam, vor allem auf Drogenhändler, Hooligans und männliche Gewalttäter, die von den von ihnen bedrohten Partnerinnen fern gehalten werden sollen.

Juristische Sicherheit für die Beamten gibt es durch das Gesetz auch bei der gezielten Tötung von Straftätern, dem finalen Rettungsschuss. In Zukunft müssen Polizisten nach dem Gebrauch der Schusswaffe nicht mehr ihr persönliches Notwehrrecht bemühen, sondern können sich auf die neue Lizenz zum Töten berufen.

Daneben schafft das Gesetz die rechtliche Grundlage für die umfassende Videoüberwachung von voraussichtlich zwei Kriminalitätsschwerpunkten und verdachtsunabhängige Personenkontrollen. Schon im Vorfeld von Straftaten sollen künftig Rasterfahndungen möglich sein und Telefone abgehört sowie Handys geortet werden können.

Auch die Einführung neuer Techniken, etwa moderner Lesegeräte für Autokennzeichen und so genannte „Distanz-Elektroimpulsgeräte“, die Stromschläge versenden, ist in dem Gesetz geregelt. Nachdem Nagel seinen leicht abgesenkten Behördenhaushalt am Montagabend trotz einer Gegenstimme des CDU-Hinterbänklers Bruno Claußen durch die Bürgerschaft brachte, sagte Finanzsenator Wolfgang Peiner für die Anschaffung 1,5 Millionen Euro zusätzlich zu.

Zurückgerudert ist Nagel im Vergleich zu seinen ersten Entwürfen in nur einem einzigen Punkt. Auf Druck der Berufsverbände bleiben Geheimnisträger wie Ärzte und Anwälte, Journalisten und Geistliche weiterhin vor Telefonüberwachungsmaßnahmen geschützt.

Die GAL sieht in dem neuen Gesetz eine „massive Einschränkung von Freiheitsrechten“. Nagel habe seinen bayerischen Amtskollegen „Beckstein rechts überholt“, klagt die GAL-Bürgerschaftsabgeordnete Antje Möller. Weniger kritisch sieht SPD-Innenpolitiker Andreas Dressel den Gesetzentwurf: „Nagel ist übers Ziel hinausgeschossen“, so sein wortkarger Kommentar.