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Archiv-Artikel

berliner szenen Schlauer Bühnenhund

Kein Lampenfieber

Bei „Der Doktor und das liebe Vieh“ gibt es einen verwöhnten Pekinesen namens „Tricki Woo“, den Dr. Harriot, der nette Tierarzt des kleinen englischen Dorfes, alle paar Wochen wegen Übergewicht behandeln muss. Tricki Woo bekommt nämlich von seinem Frauchen Süßigkeiten und klemmt sich darum regelmäßig etwas in der Hundeaftergegend ein, das Dr. Harriot wieder entspannen muss. Der Doktor macht das aber ganz gern, denn als Dankeschön bekommt er vom Hündchen selbst geschriebene Dankeskarten geschickt.

An Tricki Woo musste ich denken, als ich am Wochenende in einer Theaterpremiere saß, bei der ein Hund mitspielte. Es war zwar kein Pekinese, sondern ein richtig hübscher, senffarbener Fünf-Freunde-Hund, aber ich überlegte, ob es bei Hunden wohl einen Hang zur Theatralik geben kann, genau wie beim Menschen. Der Hund hatte nur eine kleine Rolle, noch nicht mal eine Sprechrolle, er lag fast die ganze Zeit (das Stück war eine hübsch moderne Adaption von Fassbinders „Warum läuft Herr R. Amok?“) auf der Bühne auf einem Schaffell herum. Im richtigen Augenblick, so kam es mir jedenfalls vor, stand er auf und vertrat sich im Zuschauerraum ein wenig die Beine. Und zum großen Finale, bei dem Herr R. (in der Adaption hieß er allerdings anders) alle um sich herum erschießt, trottet er wieder auf die Bühne.

Ich habe bei dem Stück keinen On-stage-Hundetrainer gesehen. Trotzdem spielte der Hund seine Rolle als cooler, beobachtender Köter sehr gut, von Lampenfieber keine Spur. Vielleicht war er auch auf Drogen. So etwas gibt es bestimmt in den USA, Anti-Lampenfieber-Pillen für Bühnenhunde, in der Drogerie gleich neben den rezeptfreien, opiumhaltigen Baby-Beruhigungspillen zu finden. JENNI ZYLKA