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Archiv-Artikel

Drogenwelle nicht in Sicht

NRW-Innenministerium weist Meldungen von Bundesgrenzschutz und Zoll zurück: Die Menge sicher-gestellter Drogen stagniert. Engere Kooperation mit niederländischen Behörden im nächsten Jahr

VON ANDREAS WYPUTTA

Das nordrhein-westfälische Innenministerium hat Berichte von Zoll und Bundesgrenzschutz zurückgewiesen, über das Land schwappe eine Rauschgiftwelle. „Genaue Zahlen, sei es über die Menge eingeführter Drogen oder über Dunkelziffern, bleiben reine Spekulation“, so Ministeriumssprecher Hendrik Große Lefert zur taz. „Nur ein großer zufälliger Einzelfund kann die Statistik völlig verändern.“

Der für den Zoll zuständige Kölner Oberfinanzrat Hartmut von der Alm hatte gestern gegenüber der Nachrichtenagentur dpa vor zunehmendem Drogentourismus über die Grenze zu den Niederlanden gewarnt: „Im Gefolge der riesigen Ströme von Touristen und Tagesausflüglern haben sich wohl auch Dealer, Kuriere und Selbstversorger aus ganz Europa in Richtung Drogenmekka Niederlande auf den Weg gemacht.“ 2003 seien in 8.970 Schmuggelfällen Strafverfahren eingeleitet worden – 10,5 Prozent mehr als im Vorjahr, in dem bereits ein Zuwachs von 15 Prozent verzeichnet worden sei. Insgesamt seien Drogen im Wert von 36 Millionen Euro beschlagnahmt worden, 20 Prozent mehr als im Vorjahr.

Mehr als ein Drittel aller Drogenaufgriffe an deutschen Grenzen würden mittlerweile in Nordrhein-Westfalen gemacht, sagt Werner Köhler, Leiter des NRW-Zollfahndungsamts in Düsseldorf. „Die Dunkelrate schätze ich auf 95 bis 98 Prozent“, befürchtet er. „Wir haben über Jahre Recht behalten, dass es immer schlimmer wird.“

Das Innenministerium jedoch kann die Zahlen nicht bestätigen: Zwar sei die Menge des beschlagnahmten Heroins von 133,2 auf 184,86 Kilogramm gestiegen. Bei Kokain verzeichnet die Statistik der obersten Dienststelle aller nordrhein-westfälischen Polizeibehörden dagegen eine Senkung von 141,41 auf 121,38 Kilogramm. Ähnlich die Situation bei weichen Drogen – die Menge sichergestellten Cannabis‘ brach von 1.017,49 auf 635,58 Kilogramm ein.

Dennoch will SPD-Innenminister Fritz Behrens weiter verstärkt gegen den Drogenschmuggel aus den Niederlanden vorgehen. Mit der niederländischen Seite soll über eine besssere Zusammenarbeit von Polizei und Zoll beider Seiten verhandelt werden. Wenig erfolgreich war dagegen ein Vorstoß von Bundesinnenminister Otto Schily: Forderungen, alle niederländischen Coffeeshops zu schließen, lehnte der niederländische Innenminister Piet Hein Donner rigoros ab. Entsprechend der stagnierenden Drogenmenge wurde auch die Fahndung im Grenzgebiet nicht intensiviert – eine lückenlose Kontrolle ist im zusammenwachsenden Europa offener Grenzen ohnehin Illusion. „Wir können nur die größten Strecken, die auffälligsten Reisenden überprüfen“, so ein Kriminalbeamter der Drogenfahndung: „Lückenlose Kontrolle ist unmöglich.“