: Jahreszeiten-Shuffle
Ein verwirrender Abend in der Volksbühne: September Collective, März und Der Plan präsentierten filigranen Bastelgruppen-Pop und plumpe Globalisierungskritik
Germans really love their machines, heißt es gerne in britischen oder amerikanischen Musikmagazinen über neue Platten mit elektronisch erzeugtem Geblubber aus hiesiger Produktion.
Wenn man sich am Dienstag Abend in der Volksbühne für einen Augenblick aus dem eigenen Kopf herausdachte und sich vorstellte, man sei einfach so bei dem Auftritt von September Collective gelandet, einem Trio der Keyboarderin Barbara Morgenstern, Stefan Schneider von To Rococo Rot und dem polnischen Tüftler Paul Winkus, musste man sich doch ein wenig wundern. Weniger über die Musik – die floss plickerplockermäßig vor sich hin – als über die ganze Situation.
In einem Restaurant hätte man sich diesen Sound gut als Tafelmusik vorstellen können, als Tonspur, die neben dem Essen, Trinken und Unterhalten mitläuft und die einen ab und an aufschrecken lässt, um dann wieder in der Ecke zu verschwinden, wo drei Leute an ihren Geräten sitzen und Knöpfchen drehen. Doch auf einer Bühne vor einem verdunkelten Zuhörerraum lud sie nur zum Wegdämmern ein.
Man muss auch seine weibliche Seite zulassen, sagt jemand in der Pause – es bleibt einem ja auch gar nichts übrig, wenn nur Männer anwesend sind, dachte man sich da. Tatsächlich bestand das Publikum fast ausschließlich aus Männern zwischen Mitte dreißig und Mitte vierzig, die große bis sehr große Plattensammlungen ihr Eigen nennen und ihre Freundinnen an diesem Abend offensichtlich nicht dazu bewegen konnten, ihnen Gesellschaft zu leisten. Man kann ja nicht für jede Gelegenheit einen Babysitter engagieren.
Wie Bastelgruppen-Pop kam einem dann auch der Auftritt von März vor, das Duo des nie um eine steile These zu Politik und Ästhetik verlegenen Produzenten Eckehardt Ehlers und des Multiinstrumentalisten Albrecht Kunze, der im Laufe des Abends Gitarre, Bass, Banjo, Klavier und Melodika spielte und außerdem noch sang. Der Rezitator Nicola Duric erzählte Geschichten über den New Yorker Battery Park und schnippelte Scherenschnitte von kleinen Menschen aus, die ein Overhead-Projektor an die Wand warf. Und was sich auf März’ wunderbarem neuem Album „Wir sind hier“ anhört wie Laptop-Folk, klang auch live wenig anders. Wenn sich auch der Eindruck aufdrängte, die beiden würden der Süße ihrer Harmonien nicht über den Weg trauen und deshalb ab und zu Hundewiesengeräusche untermischen. Im Publikum knurrte man passend. Wo sich hier aber ein anderer Begriff von „Politik, Subjektivität und Geschichte“ versteckte – so war das Konzert angekündigt –, erschloss sich allerdings nicht. Weil Ehlers und Kunze keine Schuhe trugen?
Wahrscheinlich weil jede Art von konzeptioneller Überkomplexität besser ist als das, was folgte: Die Dada-NDW-Veteranen von Der Plan kamen mit Arnold-Schwarzenegger-Masken auf die Bühne, unter denen sich nacheinander George-W.-Bush-, Adolf-Hitler- und Totenkopfmasken verbargen. Dann sangen sie gegen Geld, Copyrights und das männliche Künstlersubjekt. Sie taten einem Leid. TOBIAS RAPP