: Polizei tritt Rechten auf die Füße
Rechte Kameradschaften sind nach Einschätzung von Verfassungsschutz und Polizei deutlich im Aufwind. Auftreten immer aggressiver. Demonstration vor dem Haus des Polizeidirektors verboten
VON PLUTONIA PLARRE
Noch hält sich der Verfassungsschutz mit Zahlenangaben zurück. Aber der Trend ist eindeutig. „Es gibt eine deutliche Steigerung, was die Mitgliedschaft und das Mobilisierungspotenzial in der Kameradschaftsszene angeht“, sagte der Sprecher des Verfassungsschutzes, Claus Guggenberger, zur taz. Nach Einschätzung von Polizei und Staatsschutz haben die Rechtsextremen nicht nur mehr Zulauf, sondern werden auch aggressiver.
Dass die Kameradschaft „Berliner Alternative Südost“, kurz Baso genannt, für kommenden Sonntag vor dem Wohnhaus des Leitenden Polizeidirektors Michael Knape in Heiligenseee eine Demonstration angemeldet hat, passt in das Bild. Die Demonstration wurde gestern von der Versammlungsbehörde mit der Begründung verboten, damit werde psychischer Druck auf den Polizeidirektor ausgeübt.
„Polizeiwillkür stoppen – Jugend braucht Perspektiven – Für ein neues Jugendzentrum“ – so das Motto der geplatzten Versammlung. Sie ist nicht die erste Aktion aus dem Neonazi-Spektrum gegen Knape. Eine Steckbriefaktion in dessen Wohnumfeld gehört ebenso dazu wie nächtlicher Telefonterror. Der 52-jährige Polizeidirektor, der die Direktion 6 mit den dazugehörigen Bezirken Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Treptow-Köpenick mit einem überproportional hohen Anteil von Anhängern der rechten Szene leitet, ist bei den Kameraden wegen seines entschiedenen Vorgehens verhasst. „Sie loten hammerhart aus, wie weit sie gehen können“, sagte Knape gestern auf einer Jahresbilanz-Pressekonferenz der Direktion 6 und meinte damit längst nicht nur seinen eigenen Fall. Zwölf rechte Aufzüge haben in diesem Jahr im Bereich der Direktion 6 stattgefunden. Vor allem die Kameradschaften Thor und Baso melden in letzter Zeit vermehrt Demonstrationen an. Mit Forderungen wie der nach einem „freien Jugendzentrum“ würden ganz gezielt soziale Themen besetzt und Kinder agitiert, sagte gestern der Kripo-Chef der Direktion 6, Michael Klös. Als Beispiel nannte er das kostenlose Verteilen von CDs auf Schulhöfen und Abenteuerfahrten nach Brandenburg.
Auch das Verhalten der Rechten gegenüber der Polizei habe sich verändert, heißt es. Während die Klientel früher „relativ unproblematisch“ war, werde jetzt zunehmend ganz gezielt die Konfrontation gesucht. Was Outfit und Auftreten angehe, glichen sich die Rechtsextremisten immer mehr der linken Szene an und näherten sich auch bewusst deren Hochburgen. Ein Beispiel: Am 4. November feierten rund 80 Anhänger der Hammerskins – „die Hardcore-Szene“ – in Friedrichshain und hörten laut Knape verbotene Tonträger und ließen „dabei noch nicht mal die Rollos runter“. Aber „schon um 20 Uhr“ habe die Polizei das Treffen aufgelöst.
Im Rahmen des geltenden Rechts sei auch in Zukunft kein Treffen der Rechten ohne Polizei denkbar, betonte Knape. Er führe keinen persönlichen Kriegszug gegen die rechte Szene, sondern tue seine Pflicht als Leiter der größten Berliner Direktion. In seinem Zuständigkeitsbereich gebe es nun mal mehr Anhänger der rechten Szene als in der übrigen Stadt. In den letzten Tagen habe er vermehrt Anrufe mit dem Tenor erhalten: „Nicht unterkriegen lassen. Weitermachen!“