: Das Ohio-Metal-Massaker
Am vergangenen Donnerstag wurden bei einem Konzert im US-Bundesstaat Ohio vier Menschen von einem enttäuschten Fan erschossen, darunter der Exgitarrist der Gruppe Pantera. Ein Arbeitsunfall?
VON ARNO FRANK
Das Alrosa Villa im Zentrum von Columbus, Ohio, ist eine fürchterliche Kaschemme. In diesem Club spielen vor allem Metal-Bands, wenn sie auf dem Weg nach oben sind. Oder nach unten, je nachdem. Immerhin 400 Menschen wollten dort am Donnerstag vergangener Woche die Gruppe Damageplan sehen. Deren Gitarrist, Abbott „Dimebag“ Darrell (38), wird in der Szene als Halbgott verehrt. Wegen seiner stilbildenden Metal-Band Pantera, die Darrell 2003 aufgelöst hatte – eine Entscheidung, die von vielen Fans bedauert wurde und ihm an diesem Abend zum Verhängnis werden sollte.
Es ging, wie es sich für das Genre gehört, alles sehr schnell und dreckig zu. Um 10.18 Uhr enterte Nathan Gale die Bühne und brüllte etwas über Pantera, das im Lärm des ersten Songs unterging. Augenzeugen gaben später zu Protokoll, sie hätten die Gestalt im Kapuzenpulli für einen Teil der Show gehalten. Selbst dann noch, als Gale eine Pistole zog und aus nächster Nähe mehrere tödliche Schüsse auf Abbott Darrell abgab. Und auf Nathan Bray, einen 23-jährigen Fan. Und auf Erin A. Halk, einen 29-jährigen Türsteher des Clubs. Und auf Jeff Thompson, einen 40-jährigen Roadie der Band.
Und so wäre es wohl weitergegangen, wäre nicht ein Polizist in der Nähe gewesen und per Notruf alarmiert worden. Er stürmte in den Club und tötete den Attentäter mit einem einzigen Schuss aus sechs Meter Entfernung. Das riskante Vorgehen des Polizisten entsprach der Lehre, die die Behörden aus dem Massaker an der Columbine High School gezogen hatten: „Go in an put the pressure on the shooter.“ Nach drei Minuten war alles vorbei.
Einer tief verunsicherten Gesellschaft, deren moralische Werte zwischen dem „blauen“ und dem „roten“ Amerika umstritten sind, kam dieses Verbrechen gerade recht. Konservative Medien, wie die Los Angeles Times, verwiesen auf das enorme Aggressionspotenzial des schnellen, hart gespielten Thrash Metal – und insinuierten auf diese Weise, dass sich der Gitarrist sein Grab gewissermaßen selbst geschaufelt habe. Zumal sich Abbott Darrell seinen pikanten Spitznamen („Dimebag“ ist der Slang-Ausdruck für die kleinsten Tütchen bei einem Drogendeal) in den Achtzigerjahren selbst verpasst hatte, um gegen die restriktive Drogenpolitik der Reagan-Administration zu protestieren. Liberalere Medien, wie die New York Times, beschrieben die Szene als eher harmlos und die Musik als durchaus sinnvolles Ventil für den Frust der Zukurzgekommenen – wie Nathan Gale.
Der 25-Jährige war erst kurz vor seinem Amoklauf unehrenhaft aus der US-Armee entlassen worden, seine fanatische Liebe zu Pantera hatte längst die pathologischen Züge der Anverwandlung angenommen. Gegenüber Freunden hatte Gale sich beschwert, dass Pantera seine Songtexte geklaut hätten – eine Parallele zu Mark Chapman, der sich selbst so sehr für John Lennon hielt, dass der echte John Lennon dran glauben musste.
Zum Schutz der Gäste ist übrigens in allen öffentlichen Gebäuden das Rauchen strengstens untersagt. Und Schusswaffen? In den USA wird nun lebhaft über die Einführung obligater Metalldetektoren bei Konzerten diskutiert. Zum Schutz der Gäste.