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Archiv-Artikel

Schwere Kämpfe in Pakistan

SWAT-TAL Bislang 350 Islamisten bei Angriffen der Armee im Nordwesten des Landes getötet. Schätzungen zufolge sind derzeit hunderttausende Zivilisten auf der Flucht

Obama sagt noch mehr Gewalt und Rückschläge voraus

Nach Gesprächen mit seinen afghanischen und pakistanischen Kollegen in Washington hat US-Präsident Barack Obama vor weiterer Gewalt im Kampf gegen den Terror gewarnt. „Es wird noch mehr Gewalt geben, und es wird Rückschläge geben“, sagte er nach einer Unterredung mit Hamid Karsai und Asif Ali Zardari am Mittwoch im Weißen Haus. Der gemeinsame Weg werde kein leichter sein. Zugleich lobte Obama die Zusammenarbeit der Nachbarländer im Kampf gegen den Terrorismus. Vor allem bei der Überwachung der Grenzen müsse eng kooperiert werden, um den gemeinsamen Feind zu bekämpfen, sagte der Präsident. Die USA stünden zu ihren Verbündeten und würden sie entschlossen unterstützen. Karsai und Zardari gaben nach den Treffen keine Stellungnahme ab. Obamas Sondergesandter Richard Holbrooke sagte: „Es war ein Tag, der unsere Erwartungen übertroffen hat.“ (ap)

AUS DELHI SASCHA ZASTIRAL

Die Kämpfe in Pakistans Kriegsgebiet werden immer heftiger. Die Armee griff am Donnerstag vermutete Stellungen militanter Islamisten mit Kampfhubschraubern und Kampfjets an, berichteten pakistanische Medien. Bodentruppen rückten, unterstützt durch massiven Artilleriebeschuss, weiter in die Region nordwestlich von Islamabad vor.

Am Stadtrand von Mingora, der größten Stadt im Swat-Tal, töteten Sicherheitskräfte nach eigenen Angaben 30 Islamisten in der Nähe einer Edelsteinmine, die Swats Islamisten vor wenigen Wochen eingenommen hatten. Mehr als 350 Islamisten sollen seit dem Beginn der Kämpfe vor anderthalb Wochen getötet worden sein, erklärte die Armee. Die Stadt selbst war am Donnerstag immer noch in weiten Teilen in der Hand der Islamisten.

Vermutlich durch Artilleriebeschuss kam am Donnerstag auch ein Sohn des Islamistenchefs Sufi Muhammad ums Leben, der unlängst bei einem Abkommen zwischen der Regierung der Nordwestgrenzprovinz und lokalen Milizenanführern vermittelt hatte. Demnach sollte in der Region Malakand, zu dem auch das umkämpfte Swat-Tal gehört, die Scharia eingeführt werden. Das Ausland reagierte mit Entsetzen. Wohl vor allem auf Druck aus Washington werde die Regierung demnächst die Aufkündigung des Abkommen verkünden, berichteten pakistanische Medien.

Angesichts der zunehmenden Kämpfe flohen auch am Donnerstag zehntausende Zivilisten aus dem Kriegsgebiet. 40.000 Menschen sollen innerhalb von 24 Stunden allein die größte Stadt im umkämpften Swat-Tal nördlich von Islamabad verlassen haben.

Angesichts der massiven Zunahme der Kämpfe erklärte das Internationale Rote Kreuz am Donnerstag, die humanitäre Krise in der Region verschärfe sich. „Obwohl sich die Zahlen nicht verifizieren lassen, deuten Berichte an, dass bis zu 500.000 Zivilisten durch den Konflikt aus Dir, Buner und Swat vertrieben worden sind“, hieß es in einer Erklärung. Die Organisation appellierte an die Konfliktparteien, sich an internationale Menschenrechtsabkommen zu halten und alle Maßnahmen zu ergreifen, um insbesondere die Zahl ziviler Opfer gering zu halten.

Anscheinend möchte die Regierung in Islamabad mit ihrer Großoffensive Washington zeigen, dass sie es ernst meint mit ihrer Ankündigung, gegen die Islamisten vorzugehen. Sollte sie ihre Militäroperation fortsetzen und die dortigen Milizen zerschlagen, wäre das eine Wende in Pakistans Sicherheitspolitik. Denn in der Vergangenheit hat die Armee ähnlich umfangreiche Offensiven häufig überraschend abgebrochen, obwohl sie kurz vor dem Sieg gegen bewaffnete Islamistengruppen stand.

Offenbar herrscht zumindest in Teilen von Pakistans Armee weiter die Meinung vor, dass die Islamisten in Zukunft immer noch als Stellvertreterarmeen nützlich sein könnten. Es liegt auch auf der Hand: Nach einem Ende der militanten Islamistengruppen in Pakistan könnte Islamabad allen Einfluss auf Afghanistan verlieren. Das Land wäre damit für absehbare Zeit außer Reichweite Pakistans und als „strategischer Raum“ verloren.