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: Protest dort, wo er hingehört

Der Fall könnte einem Lehrbuch über deutsches Staatsbürgerverständnis entnommen sein: Da demontiert eine „Reform“ das Grundrecht auf menschenwürdige Existenzsicherung, treibt hunderttausende Menschen in die Armut und liefert sie der Willkür von Fallmanagern aus – und kaum ein Hahn kräht danach. Aber wehe, jemand vergreift sich an des Kleinbürgers Lieblingstier! Dann gehen sie auf die Barrikaden, die aufrechten Kämpfer! Jedem Hundebesitzer sein Recht auf den Vierbeiner!

Kommentar von Susanne Gannott

Natürlich ist es absolut inakzeptabel, wenn der Kölner Stadtrat mit einer Abschaffung der reduzierten Hundesteuer für sozial Schwache seine Finanzen sanieren will. Für die Hundebesitzer unter den 90.000 KölnerInnen, die ab 1. Januar mit dem viel zu geringen Arbeitslosengeld II ihr Leben fristen müssen, wäre das in der Tat eine ziemliche Zumutung.

Aber sehen die empörten Hundefreunde nicht, dass dies nur die Spitze eines riesigen Eisberges ist? Dass diese Zumutung die konsequente Fortsetzung all der anderen Schikanen und Ungerechtigkeiten ist, die Hartz IV für Betroffene vorsieht? Warum solidarisieren sich diese Leute nicht mit den Montagsdemonstranten und setzen ihren berechtigten Zorn in den politischen Kontext, in den er gehört?

Zum Glück hat der Initiator der Demo gestern vor dem Kölner Rathaus auf diese Zusammenhänge kurz hingewiesen. Denn natürlich hat er Recht, wenn er sagt, dass die Abschaffung der ermäßigten Hundesteuer nicht das einzige bleiben wird. Dass es demnächst vermutlich anderen Vergünstigungen für Sozialhilfeempfänger an den Kragen geht, etwa dem Mobilitätspass. Und „für die, die es noch nicht wissen“, hat er darauf hingewiesen, dass der Protest gegen Hartz IV weiterhin jeden Montag auf der Kölner Domplatte eine Stimme hat.

Dieser Hinweis war ganz offensichtlich auch bitter nötig. Für einige der anwesenden Hundebesitzer war das gestern vermutlich die erste Demonstration ihres Lebens. Höchste Zeit, dass auch diese Bürger aufwachen – und sich nicht nur als gebeutelte Hundebesitzer begreifen. Denn es kann doch wohl nicht sein, dass jeder nach Bedarf seine 1-Mann-oder-Frau-Demo macht – und dabei nicht über seinen Tellerrand hinausschaut. Damit tut man höchstens den Mächtigen einen Gefallen.