: Das Jahr geht, Standort Gorleben bleibt
In der Debatte um ein Endlager für radioaktiven Müll knickt Bundesumweltminister Jürgen Trittin vor dem Kanzler ein. Um die Energiekonzerne vor der NRW-Landtagswahl nicht zu verärgern, wird die Suche nach Alternativstandorten mal wieder vertagt
AUS HANNOVER JÜRGEN VOGES
Bewaffnet mit Klappstühlen wollen sich wendländische AKW-Gegner morgen auf dem Marktplatz in Lüchow treffen, um dort Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) nachzueifern – und symbolisch das Atommüllproblem aussitzen. Empört sind die Aktivisten von der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg über die neuerliche Verzögerung bei der von der Bundesregierung versprochenen Suche nach Alternativen zum Endlagerstandort Gorleben.
Im Herbst hatte Trittin noch für dieses Jahr einen Gesetzentwurf angekündigt zu Kriterien und Auswahlverfahren für ein Endlager, in dem Rot-Grün den deutschen Atommüll entsorgen will. Obwohl das Jahresende vor der Tür steht, ist der Entwurf noch nicht da.
„Die Arbeiten an dem Entwurf sind noch nicht beendet und werden fortgesetzt“, sagte gestern Trittins Sprecherin Frauke Stamer. Wie im Koalitionsvertrag von SPD und Grünen vereinbart, werde die Bundesregierung aber dem Parlament einen Gesetzvorschlag vorlegen. Noch in dieser Legislaturperiode soll es eine gesetzliche Regelung geben.
Über die erneute Vertagung der Endlagersuche ist auch die Landtagsfraktion der niedersächsischen Grünen „verärgert“, wie es deren atompolitischer Sprecher Andreas Meihsies unumwunden zugibt. Seine heimischen niedersächsischen Grünen hatte Trittin schon vor einigen Tagen über die Ehrenrunde zur Endlagersuche informiert.
Demnach ist der Gesetzentwurf zur Endlagersuche zwar vom BMU fertig gestellt worden. Minister Trittin hat das eigentlich fest vereinbarte Vorhaben in der Koalition aber nicht durchsetzen können. Der Umweltminister habe im Kanzleramt vorgesprochen, dort aber eine Absage erhalten, fassten Teilnehmer Trittins Darstellung zusammen. Vor der wichtigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen hätten die Sozialdemokraten keinen Konflikt mit den dort beheimateten Energieversorgungsunternehmen riskieren wollen. Auch die Parteiführung der Grünen habe sich nach den Bedenken des Koalitionspartners mit der neuerlichen Verschiebung der Endlagersuche einverstanden erklärt.
Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg fürchtet, dass es mit der versprochenen ergebnisoffenen Endlagersuche auch in der zweiten Legislaturperiode von Rot-Grün nichts mehr werden wird. Schließlich wird diese Suche nunmehr seit sechs Jahren vorbereitet – ohne dass sich real etwas getan hat. Vier Jahre lang erarbeitete zunächst der „Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte“ einen Verfahrensvorschlag für die Endlagersuche. Seit Dezember 2002 liegt nun schon der Abschlussbericht des Arbeitskreises vor, ohne dass dessen Empfehlungen zu praktischen Konsequenzen geführt haben.
„Absichtserklärungen haben wir genug, wir wollen endlich Taten“, sagte der Sprecher der BI Lüchow-Dannenberg Dieter Metk. Seit dem Atomkonsens habe Trittin nur noch eine Veränderungssperre für den Salzstock auf den Weg gebracht. Und die solle Gorleben als Endlagerstandort sichern.
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