: Abschied vom Prinzip Staatsgeheimnis
Auch der Bund verpflichtet seine Behörden, Informationen an Bürger freizugeben. Auskunft und Akteneinsicht binnen einem Monat – im Prinzip. Keine Offenheit, wenn internationale Beziehungen, die Bundeswehr oder die Sicherheit bedroht sind
VON STEFFEN GRIMBERG
Seit zehn Jahren habe ihn das Thema im Bundestag beschäftigt, sagt der SPD-Abgeordnete Jörg Tauss. Und es hört sich so an, als hätte er selbst nicht mehr daran geglaubt: Mit mehrjähriger Verspätung geht das von der rot-grünen Bundesregierung schon im ersten Koalitionsvertrag vorgesehene Informationsfreiheitsgesetz heute in die erste Lesung.
Das Gesetz regelt den Auskunftsanspruch von BürgerInnen gegenüber Behörden und Organisationen. Sie können danach in fast allen Bereichen Auskunft und Akteneinsicht verlangen. Die Behörde muss diesen Antrag generell binnen eines Monates bearbeiten. Bisher gibt es nur in Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein entsprechende Landesgesetze.
„Deutschland war damit im internationalen Vergleich absolut rückständig“, sagt Manfred Redelfs, Leiter der Greenpeace-Rechercheabteilung, der für die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche (NR) an einem eigenen Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz mitgearbeitet hat. „Endlich schaffen wir auch in Deutschland den Abschied vom Prinzip Amtsgeheimnis“, so Redelfs. Wie andere (taz berichtete) sieht er im vorliegenden Entwurf kritische Punkte. „Aber das Glas ist schon halb voll, und wir erwarten, dass es jetzt im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens mit seinen Anhörungen auch ganz voll wird.“
„Dieser Entwurf kommt den Vorstellungen der Journalistengewerkschaften und des NR deutlich mehr entgegen als der ursprüngliche Vorschlag des Innenministeriums“, sagt auch Jörg Tauss. Das Innenministerium hatte zusammen mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie zu den Oberbremsern in Sachen Infofreiheit gehört.
Kritisch bleibt die umfangreiche Liste der Ausnahmen vom „Anspruch auf Informationszugang“. Der entsprechende Paragraf ist mit seinen acht Unterpunkten der ausführlichste des gesamten Gesetzentwurfs. „Hierin spiegelt sich der Widerstand der Ministerialbürokratien gegen das Grundanliegen des Gesetzes“, sagt Redelfs.
Keine Information soll es weiterhin geben, wenn dies „nachteilige Auswirkungen“ auf internationale Beziehungen, Belange der Bundeswehr oder die innere wie äußere Sicherheit haben „könnte“. Vor allem das spekulative „könnte“ macht Redelfs Sorgen: „Wir fordern den konkreten Nachweis, dass es Beeinträchtigungen gibt. Die Ausnahmen müssen so eng wie möglich gefasst werden.“ Zu restriktiv sei auch der Passus „Zugang zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen darf nur gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt hat“. Diese auf Druck des BDI eingeführte Formulierung weiche von der in anderen Gesetzen vorgesehenen Abwägung zwischen dem öffentlichen Informationsinteresse und dem Privatinteresse des Unternehmens eklatant ab. Außerdem werde das Informationsfreiheitsgesetz insgesamt nicht automatisch als Mindeststandard festgeschrieben. „Das heißt, andere Gesetze gehen vor, auch wenn sie schlechtere Zugangsregeln enthalten.“
Trotz dieser Kritik im Detail ist Manfred Redelfs sich aber sicher: „Wir bekommen eine allgemeine Klimaveränderung in den Verwaltungen. Beamte sind dann nicht mehr so aufs Amtsgeheimnis geeicht und es gibt eine sichere Rechtsgrundlage, die deutlich weiter geht als das, was wir heute haben.“