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Archiv-Artikel

Einfach nur schön Boot fahren

HAFENGEBURTSTAG Auch wenn Kampfjets manchem das Fest verdarben: Schön Schiff fahren konnte man trotzdem – etwa mit dem Minenräumdienst

VON ROGER REPPLINGER

Auf der Lüneburger Heide ist Blasmusik. Das Blech blinkt in der Sonne, hören kann man es nicht, weil die „Lüneburger Heide“ dreißig, vierzig Meter weit weg ist. Hinter der Heide liegt das gelbe Zelt des „König der Löwen“, also quasi Afrika. Diese „Lüneburger Heide“ liegt auf der Elbe. Sie ist ein Schiff.

Am Freitag, dem Tag des Beginns der Feierlichkeiten zum 820. Hafengeburtstag, tun viele Schiffe etwas, was sie sonst nicht tun. Fähren bringen ihre Gäste nicht von A nach B, sondern von A nach A, auf russischen Marine-Segelschulschiffen gibt es Sekt, und auf der „Thetis“, einem Minenräumboot der dänischen Marine, turnt ein Kriegsdienstverweigerer herum. Er ist auf Höhe Blankenese zugestiegen und fühlt sich wohl auf der „Thetis“, weil es auf diesem Schiff, das den Namen einer griechischen Meeresnymphe trägt, einen Matrosen mit Pferdeschwanz gibt, einen Offizier, der eine halb gerauchte Kippe im Mund hat. Und der Kommandant Henrik Holck Rasmussen, Chef eines ständigen Nato-Minenräumverbands, sagt „Scheiße“, kaut Kaugummi und steckt schon mal die Hände in die Jackentaschen seiner Paradeuniform. Definitiv kein Kommisskopp deutscher Tradition.

Die „Thetis“ und ihr Verband kommen gerade aus dem Ärmelkanal, in dem noch ein paar tausend Minen darauf warten, geräumt werden. Gesetzt hatten diese Minen die deutsche Luftwaffe und die deutsche Marine im Zweiten Weltkrieg. Für ihn, die Besatzung der „Thetis“ und die der anderen Schiffe des Verbands, sind Ereignisse wie der Hafengeburtstag ein Spaß. Die Offiziere stehen nebeneinander an Deck und haben die Hände auf dem Rücken, wenn sie nicht winken. Wenn sie winken – was sie fast immer alle gleichzeitig tun –, dann mit einer sehr exakten Bewegung. Fast wie Winkeautomaten oder sehr alte Lehrer, die Schultafeln wischen. Die Matrosen, die mit einer Frau Unteroffizier auf einem anderen Deck stehen, winken weniger abgezirkelt.

Begegnet die „Thetis“ der Fregatte „Hamburg“ oder der britischen „Penzance“, dann grüßen die Offiziere. Oberstleutnant Wolfgang Ludwig, Presseoffizier des Landeskommandos Hamburg, grüßt auch, obwohl er sein Mützchen in der Messe vergessen hat.

Wir fahren an den Häusern der Hafenstraße vorbei, die uns mit einem Plakat, auf dem „Vattenfall Fuck off“ steht, willkommen heißen. In der Bernhard-Nocht-Straße hängt eine HSV-Fahne nicht auf Halbmast, sondern aus dem Fenster. Hinter uns die riesige „Voyager of the Seas“ im Dock. Vor uns, an den Landungsbrücken, alles schwarz vor Menschen. Da, der russische Viermastsegler „Sedow“, hat eine Menge Gäste an Bord.

„Die Russen haben große finanzielle Probleme, die sind froh, wenn sie bei solchen Gelegenheiten ein bisschen was einnehmen“, erzählt Oberleutnant zur See Helene Speth, die sich während des Aufenthalts in Hamburg um die Besatzung der Minenräumer kümmert. Die einen Arzt für den Matrosen mit Zahnweh findet und den richtigen Laden für den Unteroffizier, der Cowboystiefel braucht. Einer will seiner Freundin, die noch nichts davon weiß, einen Heiratsantrag machen, sobald er an Land ist. Auf allen Booten des Minenräum-Verbands wird die Frage diskutiert: Wie wird sie antworten?

Hamburg wirkt vom Wasser aus schöner als an Land. Riesenräder, Bungeejumping, Buden. Es weht der Geruch von Pommes herüber. Wir fahren an der Kehrwiederspitze vorbei und wenden. Auf der Rickmer Rickmers viele Fischerhemden. Über uns eine Junkers, von allen Soldaten, die ein Handy dabei haben, fotografiert. Die Marine möchte fliegen, die Luftwaffe, so langsam wie die Junkers fliegt, schwimmen.

Überall auf der Elbe wird getutet. Dann knackt es in den Lautsprechern der „Thetis“, ein Signal, im Nu ist das Deck wie leer gefegt. Das Anlegemanöver beginnt. Und an den Landungsbrücken müssen die Zuschauer ein Stück von der Kaimauer zurücktreten, was sie freiwillig tun, als sich das graue Schiff immer näher schiebt.

Die „Thetis“ konnte am Wochenende besichtigt werden. Unter denen, die das tun, sind immer welche, denen der nächste Krieg nicht schnell genug kommen kann. Die werden von der „Thetis“ und ihrer Besatzung enttäuscht. Die ist noch mit den Aufräumarbeiten des letzten beschäftigt.