: Föderalismus scheitert an der Ganztagsschule
Wie Bildungsthemen zu Schlüsselfragen des Föderalismus wurden: Der Hesse Roland Koch wollte, dass ein Erfolg des Bundes wie bei den Ganztagsschulen „nicht noch einmal möglich ist“. Klammheimliche Freude in der Bildungsszene
BERLIN taz ■ Die Föderalismusreform scheiterte letztlich an einer Frage, die mit der Kommissionsarbeit de jure nichts zu tun hatte: an den Ganztagsschulen. Aber wie ist das möglich? Schließlich arbeiten Bund und Länder da längst friedlich zusammen. Die Bundesländer nutzen das Geld sehr eifrig, das der Bund für den Ausbau von normalen deutschen Halbtagsschulen in den Nachmittag hinein gibt. Auch die BürgerInnen begrüßen die Initiative, je nach Umfrage, mit Zustimmungswerten bis zu 90 Prozent.
Genau das ist der Schönheitsfehler. So viel Erfolg will man in der Union den rot-grünen Gegenspielern nicht gönnen. Genauer: Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) wollte, dass die viel beklatschte Ganztagsschule ein einmaliger bildungspolitischer Erfolg des Bundeskanzlers bleiben sollte. „Ein solches Programm“, wird Koch aus den Föderalismusgesprächen zitiert, „darf es nicht noch einmal geben.“ Deswegen wurde das Bildungsthema am Ende zur Schlüsselfrage.
Konkret hieß das in der Kommissionsarbeit: Dem Bund sollte regelrecht verboten werden, sich mit freiwilligen Finanzhilfen in die Bildungsarbeit der Länder einzumischen. Das freilich hätte geheißen: Sowohl der Ausbau der Kindergärten als auch das fix und fertig vorliegende Programm für Eliteunis im Wert von 1,9 Milliarden Euro hätte der Bund zurückziehen müssen.
In der Nacht zum Freitag drückte sich die Blockade darin aus, dass Edmund Stoiber mit ultimativ vorgetragenen Punkten auftrat. Seine Position lautete: Bei Bildung wollen wir 100 Prozent – und wenn wir die nicht kriegen, scheitert die gesamte Kommissionsarbeit vom Küstenschutz bis zu neuen Formen der Gesetzgebung. Roland Koch und seine Kollegen fesselten Stoiber mit einem imperativen Mandat. Und weil auch der zweite Kovorsitzende, Franz Müntefering (SPD), nicht volle Souveränität innehatte, war damit die Kommission gescheitert.
Auch im Detail gerieten sich die Pokerpartner in der letzten Nacht in die Wolle. Die Unionsländer wollten dem Bund plötzlich nur noch zugestehen, Hochschulfragen durch ein Rahmengesetz zu regeln – eine Gesetzespezies, die nach den jüngsten Karlsruher Entscheidungen praktisch keinen Wert mehr hat. Vorher hatte man sich noch geeinigt, dass Zugang und Abschlüsse deutscher Unis nicht von Land zu Land unterschiedlich ausgestaltet sein dürften.
„Das war eine pure Provokation“, schätzte die SPD-Unterhändlerin und Abgeordnete Nicolette Kressl das Vorgehen der Union ein. „Wir vom Bund haben nicht draufgesattelt, wir wollten lediglich die Möglichkeit einer grundsätzlichen Kooperation zwischen Bund und Ländern möglich machen.“ Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) wiederum gab der SPD die Schuld. Der Bund habe zusätzliche Forderungen aufgestellt, „daher trägt er die Verantwortung am Scheitern“.
Interessant ist die einhellige Reaktion in der Bildungsszene: klammheimliche Freude über das Scheitern der Kommission. „Besser den Status quo erhalten, als den Bildungsbereich ganz den Machtgelüsten der Länder unterzuordnen“, sagte etwa der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung, Ludwig Eckinger. CHRISTIAN FÜLLER