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Archiv-Artikel

Opelaner suchen Máximo Líder

Opel Bochum ringt ums Überleben – und steht dabei ohne Arbeitnehmervertreter da. Morgen soll ein neuer Betriebsratsvorstand gewählt werden. Zu erwarten ist ein Geschacher in guter Opel-Tradition

AUS HAVANNA UND BOCHUM PETER ORTMANNUND KLAUS JANSEN

Havanna. Altstadt. Ein brodelndes Meer aus verfallenden Kolonialbauten, Fahrradtaxen und Abfall. Wortlos teilt ein massiger Weißer auf der Calle Obispo mosegleich die braungebrannten Leiber. Zwei Schritte hinter ihm die weibliche Begleitung aus Deutschland. Der Hobbymaler und Gewerkschafter Ludger Hinse aus Bochum auf Stippvisite in der kubanischen Hauptstadt. Offiziell nimmt er an einer Gemeinschaftsausstellung teil, doch zu finden ist die in der riesigen Metropole natürlich nicht.

Während Bochums IG Metall-Chef auf Fidel Castros Karibikinsel weilt, bricht beim wichtigsten Klienten des Gewerkschaftsfunktionärs der Betriebsrat auseinander. Nachdem bereits vor einer Woche der stellvertretende Opel-Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel nach einem Streit über die Einrichtung einer Einigungsstelle sein Amt als Arbeitnehmervertreter zur Verfügung gestellt hat, verabschiedet sich am Freitag auch Bochums Ober-Opelaner. Aus gesundheitlichen Gründen tritt der seit längerer Zeit unter Herzproblemen leidende Betriebsratsvorsitzende Dietmar Hahn zurück (taz berichtete). Die noch 9.600 Opel-Arbeiter Bochums stehen in den Verhandlungen über ihre Zukunft ohne Vertreter da.

Dienstagmorgen, acht Uhr 30, sollen die 37 Betriebsräte einen neuen Vorstand und zwei Gesamtbetriebsratsmitglieder wählen. Wer die Verantwortung für die Beschäftigten übernehmen wird, ist völlig offen. „Die Konstellationen sind fließend. Das ist manchmal kingergartenmäßig, was da abläuft“, sagt Noch-Vize Rainer Einenkel.

Tatsächlich sind Betriebsratswahlen bei Opel Bochum traditionell ein großes Geschacher. Heillos zerstrittene Betriebsgruppen, politisch schattiert von MLPD-rot über DKP-rot bis SPD-rot, kämpfen um Einfluss, die Freistellung von der Maloche am Band und die Chance auf höhere Bezahlung. Die Methoden sind Mobbing, Intrigen, Korruption. Die Wahl im Jahr 2002 beschäftigte nach einer Affäre um Stimmenkauf das Arbeitsgericht.

Auch wenn diesmal nur ein Vorstand und kein komplett neuer Betriebsrat gefunden werden muss, ist die Situation im Vorfeld unübersichtlich – zwei Tage vor der Wahl stehen noch nicht einmal die Kandidaten fest. „Da herrscht totale Kopflosigkeit“, sagt ein Insider. Klar ist nicht einmal, ob Vize-Chef Einenkel für den Vorsitz kandidieren wird: „Ich werde mich nicht melden. Viele meinen, sie können es besser“, sagt er. Ausschließen will er eine Kandidatur aber nicht. Seine Fraktion hat mit 21 Stimmen eine knappe Mehrheit im Betriebsrat.

Ob die nach Einenkels Zustimmung zur Einigungsstelle und dem folgenden Rücktrittsangebot hält, ist aber offen. „Einenkel ist politisch tot“, glaubt beispielsweise Achsen-Betriebsrat Bernd Wozniczka. Als Gegenkandidat könnte SPDler Peter Gabriel antreten. Sein Vorteil: Er ist der einzige Bochumer Opelaner, der bislang an den Verhandlungen mit dem Management beteiligt war. Sein Nachteil: Seine Liste „Klartext“ hat im Betriebsrat keine Mehrheit. Als weitere Kandidaten sind auch der kurz vor der Frühverrentung stehende bisherige Leiter der Personalkommission, Lothar Marquardt, und der Opel-Europa-Betriebsrat Klaus Hemmerling im Gespräch. Offen hat bislang jedoch noch niemand seine Kandidatur bekannt gegeben. So muss weiter gerätselt werden. Der Ex-Betriebsratsvorsitzende Peter Jaszczyk sagt: „In diesem Betriebsrat ist wirklich alles möglich.“

Gewerkschafter Ludger Hinse wird froh sein, die Entstehung des Dramas in Kuba nicht mitverfolgt zu haben. Er kehrt erst heute wieder zurück.