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Archiv-Artikel

Alle sind verantwortlich

Geschlossener Kreis, aber keine abgeschottete Vereinigung: Das Forum Hamburger Autoren wird 15 Jahre alt. Ein bis zwei neue Mitglieder pro Jahr sollen dafür sorgen, dass „der Fluss bleibt“

„Dass sich das ‚Forum‘ zu einer konstanten Größe im Hamburger Literaturbetrieb entwickeln würde, war nie geplant“, erzählt Gründer Sascha Sojuntz

von Christine Schams

Die Idee ist so simpel wie banal: Schriftsteller treffen sich zur gemeinsamen Textarbeit. Immerhin, es geht bei der Schriftstellerei ja zuerst um das geschriebene Wort. Gearbeitet wird folglich mit und an den Texten. Erzählstränge werden aufgezeichnet und diskutiert, an Sätzen, Worten, Kommata gefeilt, Spannungsbögen entworfen, verworfen, erläutert, erörtert.

Das nüchterne, zuweilen trockene Feilen am Text ist Kernstück und zentrales Element der schriftstellerischen Arbeit, im Literaturbetrieb jedoch eine Seltenheit. Während überall Schreibzirkel so schnell aus dem Boden sprießen, wie sie wieder verschwinden, existiert das „Forum Hamburger Autoren bereits seit 15 Jahren. Eine kleine, längst nicht mehr unbekannte und unbedeutende Autorengruppe, deren Mitglieder sich nur treffen, um eines zu tun: an ihren Texten zu arbeiten. So war es vor 15 Jahren, so ist es noch heute. Interne Auseinandersetzungen und eine hohe Fluktuation konnten daran nichts ändern, auch die Umbenennung im September dieses Jahres – aus dem „Forum junger Autorinnen und Autoren“ wurde das „Forum Hamburger Autoren – wird daran nicht rütteln.

„Dass sich das Forum überhaupt zu einer konstanten Größe im Hamburger Literaturbetrieb entwickeln würde, war nie geplant“, erzählt Gründer Sascha Sojuntz. Es habe sich so ergeben. 1989 stellten bei einer Jugendkulturwoche acht Mitglieder des „1. Reinbeker Forums junger Autoren“ ihre Werke vor. Bald trafen sie sich regelmäßig – das „Forum“ war geboren. Zum „2. Reinbeker Forum junger Autoren“ 1990 erschien bereits ein aus den Mitteln der Stadt finanziertes Textheft, mit dem die Tradition der Herausgabe eines Jahrbuches begründet wurde. Seit 1992 wird die Veröffentlichung aus einem Fonds der Hamburger Kulturbehörde unterstützt.

Die Mitglieder wollen im Forum durch die Textarbeit voneinander lernen. Es ist ein geschlossener Kreis. Als abgeschottete, elitäre Vereinigung im Sinne einer „l‘art pour l‘art“ sehen sich die Mitglieder dennoch nicht: Die Veröffentlichung streben alle an, die Teilnahme an Wettbewerben und Kursen ist fast schon obligatorisch. Mit Erfolg: In den Preisträgerlisten diverser Literaturwettbewerbe tauchen regelmäßig die Namen einiger Forums-Mitglieder auf, zuletzt Wiebke Maginess beim Hamburger Förderpreis für Literatur 2004. Vielen anderen gelang die Veröffentlichung in renommierten Verlagen: Karen Duve mit Regenroman bei Eichborn, Mirko Bonné mit Der junge Fordt bei DuMont und Charlotte Richter–Peill mit Das letzte Zimmer bei Goldmann.

Trotz aller Erfolge blieb auch das Forum von Rückschlägen nicht verschont. Christine Garelly etwa, die nur ein Treffen besuchen konnte, kam 1998 bei einem Autounfall ums Leben. Die Mitglieder selbst zermürbten sich derweil in Machtkämpfen, es wurde geklüngelt und verletzt. Die – laut eigenem Jahrbuch 2004 – „Kaninchenzüchtervereinsanimositäten“ führten Ende der Neunziger zum Eklat und schließlich zum großen Knall. Zahlreiche Mitglieder kehren dem Forum den Rücken, das so, kurz vor dem zehnjährigen Jubiläum, vor dem Aus stand. Doch es ging weiter. Mit neuem Elan, neuen Autoren und Erfolgen.

Neue Autoren sind stets willkommen, wenngleich das Forum mit derzeit 17 Mitgliedern an seine Grenzen stößt. „Je mehr dabei sind, umso schwieriger wird es natürlich, die Texte aller Mitglieder bei den Treffen zu besprechen.“ Dennoch: Ein bis zwei neue Mitglieder pro Jahr nimmt das Forum auf, damit, wie Sascha Sojuntz erklärt, „der Fluss bleibt“.

Das Aufnahmeprozedere hat sich dabei über die Jahre bewährt: Die Bewerber schicken einen Text ein, ist die Mehrheit von diesem überzeugt, wird der Neue aufgenommen. Dieses Verfahren, die Texte für sich sprechen zu lassen, begründet den Erfolg und die langjährige Existenz des Forums. Sascha Sojuntz: „Es geht uns um das Potenzial – und nur darum.“ Beziehungen oder Freundschaften dagegen sind bei der reinen Textarbeit eher hinderlich, driften dann Argumente doch schnell ins Persönliche ab. Die Freundschaften der Forums-Mitglieder hingegen entstanden erst im Forum und begrenzen sich zumeist auch in diesem.

Im Jahr 15 hat sich das Forum so zu einem stabilen Kreis und einer festen Größe im Hamburger Literaturbetrieb entwickelt. „Es geht voran“, ist im Jahrbuch zu lesen. Und: „Wieder. Immer noch.“ Ein vorsichtiger Blick in die Zukunft. 15 Jahre haben Spuren hinterlassen. Was heute aber bereits sicher scheint: Das Forum Hamburger Autoren wird auch zukünftig den Status einer lockeren Vereinigung tragen. „Wir sind bewusst kein eingetragener Verein, das bewahrt das Moment des Informellen, alle sind verantwortlich“, sagt Sascha Sojuntz. Trotzdem oder vielleicht auch gerade deswegen dauern Entscheidungen lange, mitunter sogar Jahre – wie die der Umbenennung: 1998 erstmals besprochen, wurde sie letztendlich erst im September diesen Jahres vollzogen.

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