piwik no script img

Archiv-Artikel

Junioren in den Osten

Der Chef des Berliner Fußballverbandes wirbt um Spieler aus dem Westen, die dort nicht zum Einsatz kommen

Ist der Ost-Fußball noch zu retten? Alle sieben Vereine aus der früheren DDR überwintern im Tabellenkeller der drei höchsten DFB-Spielklassen. „Es droht das Sterben des Ost-Fußballs“, warnt Manfred Wimmer, Chef von Hansa Rostock. Während alarmierte Funktionäre und Kolumnisten fordern, schleunigst frisches Geld in die Solidaritätspipeline von West nach Ost zu pumpen, um den Profis dort Beine zu machen, rät Bernd Schultz zur sachlichen Analyse. „So dramatisch ist die Situation auch wieder nicht. Die Tabelle ist nur eine Momentaufnahme. Letztes Jahr haben wir uns gefreut, dass Rostock, Aue oder Dresden eine gute Rolle spielen“, sagt der Präsident des Berliner Fußballverbandes (BFV).

Schultz verweist darauf, dass die Ost-Vereine „beste Startbedingungen nach der Wiedervereinigung hatten“. Vor allem im Nachwuchsbereich gelte das Gebiet der Ex-DDR als gut versorgt: 15 der bundesweit 40 „sportbetonten“ Eliteschulen fördern hier Jugendliche – „eine ideale Basis“, betont Schultz.

Nicht nur konjunkturelle Gründe hat seiner Meinung nach die Talfahrt des Fußballs in den Beitrittsländern. Durch Missmanagement hätten sich Hochburgen wie Dresden oder Leipzig zeitweise selbst dem Erdboden gleichgemacht. Deshalb hält Schultz das Anpumpen neuer Soli-Beiträge für den falschen Weg zur sportlichen Genesung – zumal die Gebermentalität der Vereine in den alten Bundesländern gegen null tendiert. Auch hier haben Kirch-Crash und Wirtschaftsflaute tiefe Spuren hinterlassen.

Schultz setzt vielmehr auf Talent- statt Geldtransfers. Sein Vorschlag lautet: Juniorenspieler im Alter von 18 bis 22 Jahren, die im Westen wegen starker Konkurrenz in den Profiteams nicht zum Zuge kommen, sollte der Wechsel zu Ost-Vereinen erleichtert werden. Schultz: „Im Osten könnten sie Spielpraxis sammeln. Davon würden alle Seiten profitieren.“

In England ist die unbürokratische Ausleihe von Junioren an der Tagesordnung. In Deutschland klappt dieses Modell mitunter nicht einmal innerhalb derselben Stadt, wie Schultz festgestellt hat: „Ich habe mich letztes Jahr geärgert, dass Hertha BSC seine Nachwuchsleute lieber in der Oberliga-Mannschaft eingesetzt hat, statt sie an den 1. FC Union in die Zweite Liga auszuleihen. Das wäre besser für Berlin gewesen.“ Nun will er seinen Vorschlag der DFB-Strukturkommission unterbreiten, die Reformvorschläge sammelt im Hinblick auf den außerordentlichen Fußball-Bundestag 2006.

JÜRGEN SCHULZ