LESERINNENBRIEFE :
■ betr.: „Deutschlands schlechteste Schule: das Gymnasium“, taz vom 6. 5. 09
Vom Steilpass zum Eigentor
Den Steilpass von Jürgen Baumert, Direktor des Max-Planck-Instituts, vollendet Christian Füller zum Eigentor: „… eine kognitiv, leistungsmäßig, motivational und hinsichtlich häuslicher Ressourcen hoch ausgelesene Schülerschaft, mit der „die Studienräte“ so wenig zurechtkommen „wie Jürgen Klinsmann, der bei den Bayern das beste Spielermaterial zur Verfügung bekam“. So präzise lässt sich also nach Klasse 4 sortieren. Hatten die beiden genau dies nicht immer bestritten? Wenigstens in der Argumentation treffen sich so Bildungspolitiker und ihre Kritiker auf ähnlichem Niveau.
ERWIN SCHELLENBERGER, Bönnigheim
■ betr.: „Deutschlands schlechteste Schule: das Gymnasium“
Gymnasiallehrer-Bashing
Christian Füller betreibt mal wieder seine Lieblingssportart: Gymnasiallehrer-Bashing. Ich arbeite seit fast 30 Jahren als Gymnasiallehrer und erkenne in den Artikeln Füllers (aber auch in den Verlautbarungen der hochgelobten Bildungsforscher) eigentlich nie meine Schulwirklichkeit. Um was geht es?
1. Eine Bildungsstudie wird von zwei Bildungsforschern auf zwei unterschiedliche Arten interpretiert. Richtig ist natürlich nur die Interpretation, die am meisten den Vorurteilen Füllers entspricht.
2. Die Studie beschäftigt sich ausschließlich mit Berliner Schulen. Berlin gilt ja nicht unbedingt als maßgebend für die ganze Republik; dennoch werden alle Gymnasien in einen Topf geworfen. Das Gymnasium ist die schlechteste Schule überhaupt.
3. Gymnasiallehrer sind eigentlich für alles viel zu blöd, wohl auch zu faul. Und dafür erhalten sie das meiste Geld und die besten Schüler. Die Wiederholung von Unsinn ändert nichts am Unsinn.
4. Grundschüler werden mit Schülern der Unterstufe des Gymnasiums eins zu eins verglichen. Das ist totaler Quatsch. In der Grundschule wird ganz anders gearbeitet, im Klassenlehrersystem mit 16 und mehr Stunden pro Klassenlehrer bzw. Klassenlehrerin. Im Gymnasium wird im Fachlehrersystem gearbeitet, wobei ein Hauptfachlehrer auch der Klassenlehrer ist, wofür er meist noch nicht einmal eine zusätzliche Klassenlehrerstunde erhält. Außerdem sind Kinder bis 10 Jahren ganz anders als 11-, 12-, 13-Jährige, die zu Beginn der Pubertät stehen. Schließlich ist der Lernstoff ein ganz anderer.
5. Die Arbeit der Gymnasiallehrer hat sich in den letzten Jahrzehnten völlig verändert. Ein sehr großer Teil unserer Arbeit besteht inzwischen aus sozialpädagogischen und psychologischen Diensten – wofür wir gar nicht ausgebildet wurden. Die eigentliche Arbeit, die wir leisten sollen, hat einen deutlich geringeren Stellenwert. Seit Schuljahresbeginn musste ich in meiner 6. Klasse mindestens 25 Prozent der Stunden für solche Aufgaben verwenden.
6. Der Vorsitzende des Philologenverbands wird als eine Art Vertreter aller Gymnasiallehrer dargestellt. Der größte Teil der Gymnasiallehrer ist nicht in einem Verband, sehr viele sind Mitglied der GEW. Der Philologenverband repräsentiert eine Minderheit.
7. und zusammenfassend: Die heutige Schulwirklichkeit am Gymnasium ist weit komplexer, als sie von Forschern im Theorierock und Journalisten, die noch nie vor einer Klasse standen, beschrieben werden können. Und die Lehrerinnen und Lehrer sind weitaus reformfreudiger, als dies immer behauptet wird. Das beweisen wir Tag für Tag. Aber es gibt auch viel zu viele, die uns täglich neue Hindernisse in den Weg legen, statt zu helfen.
WERNER LÖSCH, Nagold
■ betr.: „Lieberman-Besuch: Gastfreundschaft und Demokratie“, taz vom 8. 5. 09
Vom Ungeist getrieben
Auf diesem Wege danke ich Ihnen sehr für den Kommentar von Bettina Gaus. Diesen Kommentar finde ich richtig und nötig. Herr Lieberman ist noch ganz von dem Ungeist getrieben, der zur gewaltsamen Vertreibung der Palästinenser durch zionistische Truppen von Ende 1947 bis zum Beginn des Jahres 1949 geführt hat. LOTHAR BRATFISCH, Herford
■ betr.: „Kaputt verkauft“, taz vom 4. 5. 09
Späte Erkenntnis
Es wundert mich, dass die von Ihnen erwähnten Bankangestellten erst jetzt dahinterkommen, dass die Führungskräfte in den Banken „menschenverachtende und -zerstörende Verhaltensweisen“ an den Tag legen und es einen „Zwang zum Verkauf immer fragwürdigerer Produkte“ gibt. Das ist keineswegs neu.
Ich habe meine Ausbildung zur Bankkauffrau vor genau 30 Jahren beendet und ca. ein Jahr später den Beruf an den Nagel gehängt, weil ich diese Entwicklung schon damals nicht mehr mittragen wollte. Auch 1979/80 waren die Angestellten schon gehalten, möglichst viele Bankprodukte an den Mann bzw. die Frau zu bringen, völlig unabhängig davon, ob diese für den Betreffenden sinnvoll waren oder nicht. Statt Bankkauffrau bin ich heute zufriedene Dipl.-Psychologin. SABINE SCHROER, Würzburg