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Archiv-Artikel

„Das macht man nicht“

Während Politiker noch um den politischen Preis für eine Härtefallkommission im Land Bremen pokern, zahlen Kosovo-Flüchtlinge wie die Familie Mustafa den Preis – mit der Zukunft ihrer Kinder

Von ede

bremen taz ■ „Seit die große Koalition regiert, hat der Petitionsausschuss Flüchtlingen nicht geholfen. Im Ausschuss zählt Koalitionsräson, da hat menschliches Ermessen keinen Spielraum.“ Diese bittere Bilanz des kirchennahen Vereins Ökumenische Ausländerarbeit hat einen Anlass. Soeben hat die sechsköpfige Familie Mustafa, die als Flüchtlinge aus dem Kosovo in zwei Gruppen 1993 und 1996 in Bremen Nord ankam, einen ablehnenden Petitionsbescheid bekommen: Die vier Kinder zwischen acht und 17 Jahren, für die LehrerInnen und MitschülerInnen in der Schule Gerhard-Rohlfs-Straße über 200 Unterschriften sammelten, sollen Bremen verlassen. Dabei gilt die gesamte Familie, Mutter und Vater arbeiten, als mustergültig integriert.

„Ich bedaure diesen Entschluss“, kommentiert Schulleiter Gerhard Gilbert die jüngste Entwicklung. Noch läuft zwar ein Widerspruchsverfahren der Familie beim Verwaltungsgericht. Doch sind die Chancen auf ein Bleiberecht gering. „Die Familie erfüllt die Voraussetzung für ein dauerhaftes Bleiberecht nicht“, hatte der Petitionsausschuss seine Position formuliert, als müsse es die Funktion des Ausländeramtes ausüben. In dem Brief hieß es unter anderem: Zum Stichtag der letzten Altfallregelung, dem 15. Februar 2001, habe die Familie noch nicht lange genug in Deutschland gelebt. Wohl wahr. Sonst hätte sie sich auch nicht an den Petitionsausschuss wenden müssen.

So sieht es auch Schulleiter Gerard, der die vier Kinder kennt und gerade für sie „unnötige menschliche Härten“ befürchtet. „Man muss so einer ehrenwerten Familie doch eine Zwischenlösung anbieten können“, sagt er. Dabei sei er grundsätzlich gar nicht gegen Ausweisung. Aber als Schulleiter habe er in 30 Jahren gelernt: „Nichts geht ohne Ausnahme.“ Was dieser Familie jetzt drohe, „dazu kann ich nur sagen: Das macht man nicht.“ Die Beratungsstelle für Flüchtlinge der Arbeiterwohlfahrt hatte deshalb die – erfolglose – Petition gestellt.

Katholische und evangelische Kirche drängen in Bremen schon lange auf die Einrichtung einer Härtefallkommission – wie sie zuletzt das schwarze Baden-Württemberg und das Saarland eingerichtet haben. Sie soll Ermessensspielräume nutzen können. Der grüne Innenpolitiker Matthias Güldner verweist inzwischen bei jeder Debatte darauf, dass es in Bremen eine politische Mehrheit aus Rot-Grün für eine solche Kommission gebe. Das bestätigt der SPD-Innenpolitiker Hermann Kleen: „Für uns ist die Härtefallkommission eine Herzensangelegenheit.“

Weil auch die CDU „Herzensangelegenheiten“ kennt, erwarten Politiker, dass es zu Beginn des kommenden Jahres Verhandlungen über mögliche Kompromisse gibt. Schon hat die SPD zugesagt, dass die Entscheidungen einer solchen Härtefallkommission juristisch nicht angreifbar sein sollen.

Die Zeit aber läuft gegen die Familie Mustafa. Schon im vergangenen Monat bekam Vater Mustafa beim Ausländeramt plötzlich den entscheidenden Stempel nicht mehr in den Pass. Hätte der Grenzschutz ihn im Zug zur Arbeit nach Hannover entdeckt, hätte er Probleme bekommen. Erst Proteste bereinigten dieses „Versehen“, wie es amtlicherseits später hieß.

Die Ökumenische Ausländerarbeit greift unterdessen die Argumentation mit der verpassten Altfallregelung an. Dieser Tagesordnungspunkt würde von den Innenministern bei ihren Konferenzen regelmäßig vertagt, sagt Britta Ratsch-Menke. Gäbe es sie, würde die Familie Mustafa mit ihrem inzwischen langen Aufenthalt in Deutschland sicher darunter fallen. ede