: Kosmetisch korrekt
Heute startet Pro7 die Schönheitschirurgen-Serie „Nip/Tuck“ (21.15 Uhr). Bei RTL lief aber schon eine umoperierte Version desselben Stoffs
Von Christoph Schultheis
Aus aktuellem Anlass müssen wir noch einmal an einen TV-Vierteiler namens „Beauty Queen“ erinnern. Der lief vor drei Monaten unter großem Aufsehen und mit mäßigem Erfolg auf RTL und handelte von zwei ungleichen Brüdern (Jochen Horst und Carsten Spengemann), die am Bodensee eine Klinik für Schönheits-OPs betrieben. Der eine war skrupellos, der andere skrupulös. Und die Serie war besser als ihr Ruf, zumal sie schnitt- und Special-Effects-technisch in diversen OP- und Sexszenen so Sachen ausprobierte, die man sonst nur in diesen durchgestylten 90er-Jahre-US-Erotikfilmchen sieht, die manchmal spätabends auf Vox laufen. Kurzum: „Beauty Queen“ war wie die „Schwarzwaldklinik“ auf Speed.
Schon zum Start von „Beauty Queen“ im September hieß es aber hie und da, es gebe ein US-Vorbild namens „Nip/Tuck“, das selbstverständlich viel besser sei. Des Weiteren hieß es damals in der Süddeutschen Zeitung, bei RTL behaupte man, die „Beauty Queen“-Drehbücher wären schon in Auftrag gegeben gewesen, als man von „Nip/Tuck“ noch nichts gewusst hätte, was unwahrscheinlich klang – oder wie ein Spaß. Schließlich ist die deutsche Adaption ausländischer Formate alles andere als neu: Schon Robert Lemkes „Was bin ich?“ ging auf das BBC-Vorbild „What’s My Line?“ zurück. Und auch das „Traumschiff“ im ZDF, „Verbotene Liebe“ in der ARD, die „Harald Schmidt Show“ auf Sat.1 sowie quasi alle Talk-, Gerichts-, Comedy- und Quizshows im deutschen Fernsehen haben ihren Ursprung nicht in irgendwelchen Kreativabteilungen der Sender und Produktionsfirmen, sondern in der großen weiten Welt. Und mal abgesehen von den zum Teil exzellenten Synchronisationen (beispielsweise im Sitcom-Bereich), ist das eine der erfreulichsten Eigenarten des deutschen Fernsehens: dass man sich tatsächlich die Mühe macht, ausländische Formate in eigens angefertigten Adaptionen den hiesigen Verhältnissen anzupassen.
Logisch, dass die deutsche Version von „My Big Fat Obnoxious Fiancé“ als „Mein großer dicker peinlicher Verlobter“ auf Zielgruppen-Marktanteile von über 16 Prozent kam, während das derzeit von Kabel 1 hinterhergesendete US-Original „Mein schrecklicher Verlobter“ kaum beachtet wird. Warum auch. – Und hier nun kann man endlich auf das „Beauty Queen“-Vorbild „Nip/Tuck“ zu sprechen kommen, mit dem Pro7 ab heute den verwaisten „Sex and the City“-Sendeplatz füllt: Mag sein, die US-Serie wurde von RTL (sogar optisch) bis in Details kopiert. Doch wenn sich etwa in der Auftaktfolge eine der Nebenhandlungen mit dem unbeschnittenen Penis des pubertierenden Chirurgensohns beschäftigt, dessentwegen er in der Schule gehänselt wird und hofft, seine Cheerleaderfreundin „kotzt nicht, wenn sie ihn sieht“, dann ist das ein amerikanisches Problem, das kulturwissenschaftlich interessant ist, hierzulande aber keinerlei Relevanz hat.
Bei „Beauty Queen“ hatte man daraus einen Penisvergrößerungsplot gemacht, der (wie ja erst kürzlich eine ausführliche Penislängendebatte in der Bild zeigte) offenbar auch von Männern und Frauen in Deutschland nachvollzogen werden kann. Darüber hinaus ist „Nip/Tuck“ natürlich besser gemacht. Nicht nur die ekligen OP-Szenen und Sexsequenzen sind besser ausgeleuchtet – der Titelsong ist nicht von Sarah Connor! Plots, Idee und Dialoge aber sind, auch das muss man sagen, deutlich mittelmäßiger als etwa bei „Six Feet Under“ oder „Emergency Room“. Und anders als in der RTL-Variante sind im US-Original der Schönheits-OP-Serie entblößte Busen albernerweise tabu.