Aus fremder Stadt in fremdes Land

Ausländerbehörde will 17-jährigen Nordafrikaner ohne anerkannte Papiere in den Tschad abschieben. Oppositionspolitiker aus dem Kongo soll ebenfalls ohne gültigen Ausweis zurückgebracht werden. Mit Willkür hat das nichts zu tun, sagt das Amt

Von Eva Weikert

Fami ist 17 und sitzt in Hamburger Abschiebehaft. Die Ausländerbehörde will den Jugendlichen jetzt in ein Land verfrachten, dass der nie gesehen hat. „Herkunftsland Tschad“ steht in einem Papier, mit dem Fami dieser Tage den Flug in die zentralafrikanische Republik antreten soll – obwohl deren Bonner Vertretung weder ihn als Landsmann noch das Reisedokument der Ausländerbehörde akzeptiert. „Mein Mandant wird ins Nichts abgeschoben“, befürchtet darum Rechtsanwalt Mark Nerlinger. Auch die GAL geißelt: Abschiebungen ohne Aufnahmezusage widersprächen der UN-Flüchtlingskonvention.

Nerlinger hat Erfahrung mit dem so genannten Standardreisedokument, das die Beamten in der Amsinckstraße Flüchtlingen ausstellen, die keine Ausweise haben und somit nicht abgeschoben werden dürften. Der Anwalt vertritt etwa 20 Mandanten in Hamburg, die mit dem Ersatzpapier reisen sollen, das viele Länder nicht anerkennen. In diesen Fällen hält Nerlinger die Verwendung für rechtswidrig. Bestätigt sieht er sich durch ein Urteil des hiesigen Verwaltungsgerichts, das die Abschiebung eines Afrikaners mit dem Einweg-Ticket nach Benin verboten hatte, weil das Land es nicht akzeptierte (taz berichtete).

Fami stammt nach eigenen Angaben aus einer Grenzregion zwischen Marokko und Algerien. Dass er im Tschad ein Fremder wäre, bestätigt der Negativbescheid der Bonner Botschaft des Landes, der Nerlinger und der Ausländerbehörde vorliegt. Indem diese das Gutachten einfach ignoriert, begehe sie „wissentlich Falschbeurkundung“, warnt der Anwalt. Die Pressestelle der Ausländerbehörde versichert hingegen, „die Staatsangehörigkeit wird nicht willkürlich festgelegt“.

Im Tschad muss Fami befürchten, ohne Ausweis inhaftiert oder wieder ausgewiesen zu werden. „Es ist unmenschlich, in Länder abzuschieben, die keine Aufnahmezusage geben“, warnt darum GALierin Antje Möller. Der Flüchtlingsrat sieht in der Behördenpraxis sogar eine „gezielte Strategie“. Aus Angst, ohne gültige Papiere abgeschoben zu werden, so Sprecherin Conni Gunßer, tauchten die meisten Betroffenen unter: „Und die Behörde ist das ,Problem‘ los.“

Nongani Mansita ist auch so ein „Problem“: Er soll noch heute in den Flieger. Ziel ist die Republik Kongo, das frühere Zaire. Von dort war der Oppositionspolitiker vor zwölf Jahren in die Bundesrepublik geflohen. Der abgelehnte Asylbewerber fürchtet, dass in Kongo ein Haftbefehl auf ihn wartet. Dass er jetzt auch noch ohne Ausweis reisen soll, verstärkt seine Angst.

Denn Kongos Botschaft in Bonn wollte ihm keine Versicherung geben, dass das deutsche Papier bei der Einreise durchgehe. „Herr Mansita geht davon aus, dass dieses Behördenpapier schon bei der Einreisekontrolle beanstandet wird“, so Anwalt Hans Gruber, der neben Nerlinger den Afrikaner vertritt. Spätestens wenn er in eine Polizeikontrolle gerate, sagt Mansita selbst, drohe ihm als Person ohne gültige Papiere der Knast.

Darum hat der 39-Jährige vor zwei Wochen beim Botschaftsbesuch in Bonn Ausweispapiere beantragt. Damit er seine Ausreise organisieren kann, bezahlte das Sozialamt die Zugfahrt, wie Gruber berichtet. „Das aber interessiert die Ausländerbehörde nicht.“ Ebenso wenig wie das Angebot einer Hilfsorganisation, dem Ausreisepflichtigen ein Ticket nach Kongo mit offenem Datum zu zahlen – „damit er auf humane Weise ausreisen kann“, so Gruber. Die Vorbereitungen dafür würden höchstens vier Wochen dauern.

„Wir haben keine Erfahrung mit Kongo, wie lange dort die Ausstellung von Papieren dauert“, begründet Ausländerbehördensprecherin Ulrike Nehls-Golla die Eile. Die Opposition vermutet indes einen anderen Grund für die Hektik. Offenbar wolle der Senat vor Inkrafttreten des neuen Zuwanderungsrechts zum 1. Januar noch möglichst viele Menschen abschieben, so GALierin Möller, „koste es, was es wolle“.