: Klinsmann bleibt stolz
Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft beendet ihre Asienreise mit einem 5:1-Sieg gegen Thailand und schraubt die Erfolgsbilanz ihres Bundestrainers auf fünf Siege nach sieben Spielen
VON FRANK KETTERER
Endlich war alles wieder gut und der blonde Schwabe konnte tun, was er ohnehin am besten kann: freundlich lächeln. Es war ja auch ein großer Sieg, den seine Mannschaft da gerade aufs Feld gezaubert hatte. Am Ende eines so langen und strapaziösen Jahres so mir nichts dir nichts Thailand mit 5:1 vom Rasen zu fegen, das will schon was bedeuten, zumal die Thai-Kicker ja mit durchweg jungen Spielern angetreten waren – was heißen soll: besonders motiviert und besonders heiß. Also tat Jürgen Klinsmann, was er am zweitbesten kann: Er lobte – und zwar in bekannter Manier. So verteilte der Bundestrainer auch gestern sein geradezu obligatorisches „Lob an die Mannschaft“, zumal diese ohne Ballack, Schneider, Klose und Ernst angetreten war, würdigte, dass sie „bis zum Schluss versucht hat, Tempo zu spielen“, und das, obwohl man am Ende einer „stressigen Reise“ angekommen sei, was ihn, den Bundestrainer, alles in allem schon „ein bisschen stolz“ mache. Und zu Hause im kalten Deutschland saßen wieder Millionen Menschen vor den TV-Geräten und stimmten ihrem Bundestrainer in all ihrer vorweihnachtlichen Besonnenheit Köpfe nickend zu.
Es ist wirklich erstaunlich, welche Klinsmania das Land Beckenbauers befallen hat. Fünf Siege in sieben Fußballspielen haben unweigerlich dazu geführt, dass der Bäckerbursche aus Stuttgart-Botnang zum heiligen Jürgen mutiert ist – und wie alle Heiligen ist natürlich auch der blonde Engel aus dem Schwabenland durch und durch sakrosankt, entsprechend wird jegliche Kritik umgehend als Vaterlandsverrat ausgelegt. Noch erstaunlicher freilich wirkt, wie euphorisiert selbst die seriösen und vernünftigen Medien in den Chor der Klinsmann-Jünger einfallen und ihre Oden an den Schwaben verfassen, maßlose Überhöhung inbegriffen. So entdeckte die Zeit unlängst, dass des Bundestrainers Augen strahlten – und zwar: „kanzlerblau“, was man sich bei „Deutschlands mutigstem Reformer“ ohnehin hat denken können, zumal er, wie man außerdem erfahren muss, in Personalunion auch noch als „der heimliche Regierungschef des FC Deutschland“ gilt. Die hochgeschätzte Süddeutsche Zeitung wiederum sieht in dem ehemaligen Stürmer und Tonnentreter gar die „neue Leitfigur“, die den Posten des Bundestrainers „programmatisch revolutioniert hat“ – und das mit ebenso durchschlagendem wie weitreichendem Erfolg. So sind Länderspiele unter „Klinsi“ fortan „keine isolierten Sportveranstaltungen mehr, sondern kulturschaffende Ereignisse“, entsprechend schrumpfen Niederlagen wie jenes 1:3 vom Sonntag gegen Südkorea, unter Vorgänger Rudi Völler wäre eine solche mindestens als Untergang des fußballerischen Abendlandes gewertet worden, zur „putzigen Pleite“.
Noch hat sich Klinsmann erst eine davon geleistet, nur deshalb kam sein System so gut in Schwung, obwohl die Vorbehalte gegen den Trainernovizen „völlig berechtigt“ waren, wie er unlängst selbst kokettierte. Den Nachweis, eine Mannschaft samt ein oder anderem Star führen zu können, hatte der 40-Jährige bis dato nämlich nicht erbracht, wie er sich überhaupt weit vom deutschen Fußball und dem Geschehen dort verabschiedet hatte, als Insider der Bundesliga galt der Schwabe zuletzt jedenfalls nicht. Zur Kompensation, immerhin das muss man ihm zugestehen, brachte Klinsmann die ein oder andere Mode mit bei seinen Fahrten vom sonnigen Kalifornien ins alte Europa. Unter anderem werden Nationalspieler seitdem bisweilen mit Gummibändern zwischen den Beinen gesichtet, was keine weitere Schäden hinterlassen dürfte, weil „Klinsi“ gleich auch noch einen Psychologen beim DFB eingestellt hat; solche Dinge wollen schließlich mental verarbeitet werden.
Geführt hat all das immerhin zum ein oder anderen ansehnlichen Spiel – und zu fünf Siegen in sieben Partien. Das diese gegen Nationen wie Österreich, Iran, Kamerun, Japan und Thailand errungen wurden, tut zumindest der Klinsmann’schen Sieg-Statistik keinen Abbruch. Und schon gar nicht seinem daraus resultierenden und typisch überschwänglich daherkommenden Urteil, dass da gerade „was Tolles“ heranwachse. Was, wie der Spiegel gerade in seiner durch und durch fußballkraftzersetzenden Art festgestellt hat, doch einigermaßen schwer sei, wo der neue Chef bisher noch in jeder Partie eine völlig andere Elf aufgeboten habe. Auch das freilich ficht Klinsmann nicht an, schließlich gibt es da durchaus den ein oder anderen mehr oder weniger jungen Nachwuchsspieler, den er bis dato noch nicht ausprobiert hat. Immerhin: In seinen bisher sieben Länderspielen hat Klinsmann elf Neulinge in seinen Kader berufen. Das Image des Erneuerers gibt’s dafür gänzlich gratis.
Am meisten aber überzeugt der Schwabe bisher in seiner Rolle als öffentlicher Schönredner. Nichts, was Klinsmann an und in seiner Mannschaft nicht gefallen würde. Wie sehr das spielerische Potenzial dabei tatsächlich gewachsen ist, bleibt derweil im Ungefähren, selbst Kapitän Ballack scheint sich darüber nicht so ganz im Klaren, wenn er da anmerkt: „Mal sehen, wie es gegen Topgegner klappt.“
Vielleicht aber spielt das derzeit auch gar nicht die ganz große Rolle, schließlich steht das erste Spiel unter wirklichen Wettkampfbedingungen für Klinsmann und seine Kicker am 9. Juni 2006 an, just an jenem Tag, an dem das DFB-Team die Weltmeisterschaft im eigenen Land eröffnet. Diese wird in Deutschland schon jetzt nicht nur als größtes Sportspektakel seit Lichtjahren gewertet, sondern nicht minder als gigantischer Wirtschaftsevent. Mit seinem „gnadenlosen Optimismus“ (Spiegel) wiederum kann Klinsmann wenigstens für jene positive Stimmung im Land sorgen, die sich schon immer verkaufsfördernd ausgewirkt hat. Wenn Deutschland bei der WM im eigenen Land schon nicht Weltmeister werden kann, dann kann es das wenigstens fröhlich lächelnd tun. Und lächeln kann Jürgen Klinsmann am besten.
Thailand: Kosin - Weerayut, Nakarin, Niweat, Rungroj (45. Songsak) - Sakda (57. Atthipol), Yuttajak, Therdsak, Kittisak (81. Jakapong) - Sarif (57. Piyawat), Sarayut (70. Suriya)Deutschland: Hildebrand (VfB Stuttgart/25/2) - Hinkel (VfB/22/11 - 34. Patrick Owomoyela/Arminia Bielefeld/25/3), Friedrich (Hertha BSC/25/24 - 67. Wörns/Borussia Dortmund/32/62), Mertesacker (Hannover 96/20/4), Lahm (VfB Stuttgart/21/15 - 60. Schulz/Werder Bremen/21/2) - Borowski (Werder/24/7), Schweinsteiger (B. München/20/10), Engelhardt (1. FC Kaiserslautern/24/2) - Asamoah (Schalke 04/26/25), Kuranyi (VfB Stuttgart/22/20), Brdaric (VfL Wolfsburg/29/8 - 60. Podolski/1. FC Köln/19/8)Zuschauer: 15.000; Tore: 0:1 Kuranyi (34.), 0:2 Kuranyi (38.), 1:2 Sarayut (57.), 1:3 Podolski (73.), 1:4 Asamoah (84.), 1:5 Podolski (89.)