Teurer Wohnen

STADTWERDER Rund um die „Umgedrehte Kommode“ werden ab dem Herbst die ersten Wohnungen gebaut – außen gedrängt und kleinteilig, innen luxuriös und hochpreisig

„Arme und Reiche wohnen schon jetzt stark segregiert“

Andreas Farwick, Sozialwissenschaftler an der Uni Bremen

VON JAN ZIER

Es ist neues Wohnquartier für Besserverdienende, das da ab dem Herbst auf dem Vorderen Stadtwerder entsteht – dem größten und zugleich privilegiertesten Stadtbauprojekt, das Bremen auf absehbare Zeit haben wird. Dessen konkrete Bebauung, seit Jahren in der Diskussion, zeichnet sich nun ab. Gestern wurde das Ergebnis eines internationalen Architektenwettbewerbes für das erste Baufeld vorgestellt. Bis kommenden Montag ist auch klar, wie der Rest des Vorderen Stadtwerders künftig aussehen soll.

Alles in allem stehen rund 100.000 Quadratmeter rund um die „Umgedrehte Kommode“ zur Disposition, von denen etwa 40.000 bebaut werden dürfen. Insgesamt werden hier von verschiedenen Investorengruppen 350 bis 450 Wohneinheiten geplant, die Gesamtkosten belaufen sich auf geschätzte 60 bis 80 Millionen. Etwa 800 bis 1.000 Menschen sollen auf dem Stadtwerder künftig leben.

Dort wo man ab kommendem Jahr, zwischen Wasserturm und der Hochschule für Nautik, mit unverbaubarem Blick auf die Altstadt wohnen wird, entstehen nun zunächst zwei kleinteilige, dicht aneinander gebauten Häuser mit insgesamt 60 Eigentumswohnungen. Sie sind „absolut altersgerecht“, meist drei bis vier Zimmer und 80 bis 200 Quadratmeter groß, sie bekommen „moderne Wohlfühlbäder“, Wintergärten im Norden, aber auch Loggien im Süden, dazu lichte Deckenhöhen von 2,70 Metern. Der Quadratmeter wird dabei zwischen 2.500 und 3.000 Euro kosten. Entworfen hat diese Wohnungen der Kopenhagener Architekt Carsten Lorenzen – er setzt sich gegen acht andere Büros durch.

Senatsbaudirektor Franz-Josef Höing findet den Siegerentwurf „wunderbar“ und zeigte sich „sehr zufrieden“. Zugleich wehrte er sich gegen den Vorwurf, auf dem Stadtwerder entstehe ein Quartier für die „Schönen und Reichen“. Angesprochen werden soll vor allem jene, die im Umland wohnen, aber gerne zurück in die Stadt wollen. Auch eine Konkurrenz zur Überseestadt sieht Höing nicht, allenfalls „Schnittmengen“. Der Beirat Neustadt hatte in der Vergangenheit mehrfach vor einem „Ghetto der Reichen“ gewarnt. Bei der Weser-Wohnbau, dem Auslober des Wettbewerbs, verweist man in diesem Zusammenhang auf die ebenfalls am Vorderen Stadtwerder in fünf Häusern entstehenden rund 120 Mietwohnungen. Über deren Aussehen entscheidet eine Jury am Montag. Sicher ist jedoch, dass der Quadratmeter dort rund zehn Euro kosten wird. Ein Preis, der in Bremen eher im oberen Bereich anzusiedeln ist.

Stadt-Geograph Andreas Farwick von der Uni Bremen befürchtet gleichwohl „keine großen Effekte“ für das soziale Gefüge – die Entwicklung auf dem Stadtwerder gehe eher zu Lasten des Umlandes oder schon jetzt hochpreisiger Stadtviertel. „Arme und Reiche wohnen schon jetzt stark segregiert“, sagt Farwick. Es komme deshalb vor allem auf die Mittelschicht an. Die „Gefahr einer Abwärtsspirale“ drohe vor allem im Bremer Westen – wenn es nicht gelinge, die alten Arbeiterquartiere „zu stabilisieren“. Programme wie „Soziale Stadt“ oder „Wohnen in Nachbarschaften“ dürften nicht gekürzt werden.