: Risiko Wohnprojekt
RECHTSSTREIT Polizei trat Bewohnern eines Wohnprojekts nach Schanzenfest-Krawallen die Türen ein. Die fordern Regress wegen Sachbeschädigung
Nach Aktionen und einer Besetzung wurde 1986 in der Hamburger Schanzenstraße 41a ein Wohnprojekt eingerichtet. Die Verwaltung der Gebäude liegt seither bei der alternativen Genossenschaft Schanze eG.
■ Der inzwischen sanierte Komplex umfasst samt Vorderhaus rund 50 Wohneinheiten.
■ Für die Hamburger Polizei ist die Häuserzeile noch immer verdächtig: Beim Asem-Gipfel im Mai 2007 versuchte sie die „Schanze 41“ zu stürmen. Dabei sollen 170 Polizisten durch Reizgas verletzt worden sein – höchstwahrscheinlich ihr eigenes. (kva)
VON KAI VON APPEN
Wer in einem Wohnprojekt lebt, muss damit rechnen, dass die Polizei gelegentlich auf Verdacht die Türen eintritt. So lautet, verkürzt gesagt, der Tenor eines Schriftwechsel der Rechtsabteilung der Hamburger Polizei und dem Hausverwalter der Genossenschaft „Schanze eG“, Lothar Taubert. Er verlangt im Namen der Bewohner Entschädigung für Schäden, die während eines umstrittenen Polizeieinsatzes entstanden sind.
Im Rahmen des 20. Schanzenfestes war es in der Nacht zum 7. September vorigen Jahres zu Krawallen im Hamburger Schanzenviertel gekommen. Die Polizei gibt an, bei der Verfolgung vermeintlicher Straftäter aus dem Torweg zum Hofes der Terrassenhäuser Schanzenstraße 41a der „Schanze eG“ mit Flaschen und Steinen beworfen worden zu sein. Die Täter seien anschließend in Richtung der Hinterhäuser geflüchtet.
Die drei Gebäude des Wohnprojektes mit rund 40 separaten Einheiten verfügen über sieben Eingänge. Wer das Areal kennt – sicherlich auch die Polizei – weiß, dass es vom Hof aus weitere Ausgänge zu benachbarten Wohnhäusern gibt. Dennoch erteilte die Polizeiführung damals über Funk einer Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit den Auftrag, den Tätern in die Häuser zu folgen.
Die Beamten suchten dabei vor allem die Wohnungen der Südterrasse auf, deren Bewohner meist schon schliefen. Wurde nicht schnell genug geöffnet, traten die Polizisten die Türen ein worden – mit der Begründung, dass dort Straftäter Zuflucht gefunden haben könnten. Auch zu Räumen, die leer waren, verschafften sich die Beamten gewaltsam Zugang.
Die Polizei macht nun die Bewohner selbst für die Beschädigungen verantwortlich. „Schäden sind ausschließlich dadurch entstanden, dass die anwesenden Personen den Polizeikräften die Türen auch auf mehrfache Aufforderung nicht geöffnet haben“, erklärt deren Rechtsabteilung. Auch Unbeteiligte in einem Strafverfahren seien selbstverständlich verpflichtet, der Polizei die Tür zu öffnen.
„Wie kann eine durch ein außen hängendes Vorhängeschloss verschlossene Tür durch einen Bürger oder Straftäter von innen geöffnet werden?“, fragt indes Hausverwalter Taubert. Wie könne sich ein Flüchtiger in einem Raum verschanzen und zugleich die Tür von außen mit einem Vorhängeschloss sichern? „Wer hätte das Eindringen der Polizei verhindern können, wenn sich in dem Raum doch niemand befand?“ Auch eine andere Wohnungstür sei unnötigerweise aufgebrochen worden, obwohl sich hinter der Tür niemand befand und ferner die Tür zwar „verschlossen“, aber nicht „abgeschlossen“ gewesen sei, sagt der Hausverwalter.
Antworten hat Taubert bislang nicht bekommen, dafür einige Grundsatzinformationen. „Grundsätzlich ist anzumerken, dass es sich bei dem Objekt aufgrund der baulichen Gegebenheiten nicht um ein Mietshaus im klassischen Sinne handelt“, so die Polizei-Justitiarin. Wer ein derartiges Mietobjekt verwalte, „geht das Risiko ein, dass gegen Bewohner und Besucher des Objektes polizeiliche Ermittlungen angeordnet und durchgeführt werden“. Folglich habe der Vermieter „keine Nachteile erlitten, die die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren überschreiten“. Daher liege kein „unzumutbares Sonderopfer vor“. Vielmehr habe sich hier „ein Risiko verwirklicht, dass jeder Vermieter derartigen Wohnraums tragen muss“.
Das sehen die Strafverfolgungsbehörden derzeit noch anders, abgesehen davon, dass bei der Razzia kein mutmaßlicher Straftäter angetroffen worden war. Denn die strafrechtlichen Ermittlungen gegen die verantwortlichen Polizisten durch das Dezernat interne Ermittlungen wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch dauern immer noch an. Zeugen sollen noch vernommen werden.
Zu Recht, wie der Anwalt der BewohnerInnen Marc Meyer findet. „Es müssen Tatsachen über den Aufenthalt eines Flüchtigen vorliegen“, sagt Meyer. Und allemal bei einem „nächtlichen überfallartigen Eindringen in eine Wohnung“, bekräftigt er. Daher sei der Einsatz sowohl nach dem Polizeirecht als auch nach der Strafprozessordnung rechtswidrig gewesen und Anspruch auf Schadensersatz gegeben.