Der Trend zum Skistock

Im Gefolge des Nordic Walking will der Deutsche Skiverband (DSV) mit seinem Konzept Nordicactiv den Skilanglauf als Modesport etablieren. Die Erfolge der deutschen Athleten helfen dabei

AUS PLANEGG JOACHIM MÖLTER

Dass das Ski-Langlaufen einmal Trendsport sein würde, hat Georg Zipfel nie und nimmer erwartet, als er damit angefangen hat in den Sechzigerjahren. „Wir sind verlacht worden von den alpinen Skifahrern“, erinnert sich Zipfel, ehemals deutscher Meister, heute Technischer Leiter für Langlauf im Deutschen Skiverband (DSV): „Bis vor einigen Jahren war Langlauf ja überhaupt nicht populär.“ Das hat sich geändert. In diesen Tagen hat der DSV-Breitensportdirektor Hubert Brühl ein Konzept vorgestellt, mit dem der Verband den Trend für sich nutzen will: „Nordicactiv – Skilanglauf für alle!“ heißt das Motto, und weil die Skifirmen auch ziemlich aktiv sind beim Anschub dieses Sports, sah sich Brühl bei der Präsentation genötigt, etwas klar zu stellen: „Wir haben vor vier Jahren damit angefangen, dann ist die Industrie eingestiegen, und jetzt sieht’s so aus, als wäre der Verband hintendran.“

Die Bemühungen des DSV wären freilich vermutlich nie aufgefallen, wenn es nicht die Erfolge im Spitzensport gegeben hätte, durch die eine breitere Öffentlichkeit erst erfuhr, wie schön das Dahingleiten auf schmalen Ski im Flachland doch sein kann. Bei Olympia 2002 in Salt Lake City gewannen deutsche Athleten vier Medaillen (einmal Gold, zweimal Silber, einmal Bronze); nicht einmal BRD und DDR zusammen genommen haben das zuvor jemals geschafft. In Staffel-Olympiasiegerin Evi Sachenbacher gab es auch gleich eine fröhliche Sympathieträgerin, und dass deutsche Läufer wie René Sommerfeldt und Axel Teichmann weiter vorne mitfahren bei Weltmeisterschaften und Weltcups findet Georg Zipfel „sehr wichtig wegen der Vorbild-Funktion. Wenn wir Top-Leute in der Spitze haben, die sich vor der Kamera auch noch positiv darstellen, dann sagen die jungen Leute: Ich will auch mal so laufen wie der Axel.“

Der ehemalige Leistungssportler Zipfel hofft natürlich, dass das neue Programm auch Talente hervorbringt: „Es gibt welche in Deutschland, die ungeahnte Fähigkeiten haben, aber nicht wissen, dass es Skilanglauf gibt.“ Aber im Grunde basiert Nordicactiv auf gesundheitlichen Überlegungen. Weil im Gegensatz zum Jogging oder Radfahren auch die Oberkörper-Muskulatur bewegt wird, lobt der DSV-Mannschaftsarzt Ernst Jakob das Langlaufen als „ideale Disziplin für gesundheitsorientierten Sport“. Die Grundfrage für die Ski-Funktionäre lautete dann: „Wie bewegen wir die Leute dazu, sich zu bewegen?“, so Hubert Schwarz, Olympiasieger in der Nordischen Kombination und Verwaltungsdirektor des DSV. Im vielfach praktizierten Nordic Walking, dem schnellen Gehen mit Hilfe von Skistöcken, sieht Schwarz „ein Einsteigerangebot, um die Leute zum Langlaufen zu kriegen“.

Dass der DSV auf diese Weise neue zahlende Mitglieder in seine Vereine locken will, verschweigt niemand. „Wir wollen mit Nordicactiv die Menschen fit machen für unsere Volksläufe im Winter“, sagt Brühl. Da hat der Betrieb gerade begonnen, bis Ende März gibt es hunderte solcher Veranstaltungen, und bislang war es so, dass da fast nur Enthusiasten mitmachten. „Jetzt muss niemand mehr Training auf Schnee machen oder extra auf den Gletscher fahren“, preist Brühl das saisonunabhängige Nordicactiv-Konzept: „Die Bewegung mit Stöcken wird im Ganz-Jahres-Verlauf betrieben.“ Entweder zu Fuß, eben dem Nordic Walking, oder mittels Rollschuhen, dem so genannten Nordic Blading, aber in jedem Fall so, dass im Winter der Umstieg auf Ski leicht fällt. „Man muss die Grundmuskulatur trainiert haben“, sagt Hubert Brühl, „dann ist der Weg vom Nordic Walking zum Langlauf nicht mehr weit.“

Das glauben auch die Vertreter der Skifirmen. „Mit dem Nordic Walking haben wir einen enormen Zuwachs an Potenzial bekommen“, sagt Tanja Winterhalder vom österreichischen Unternehmen Fischer, „aber die Leute stehen noch nicht auf Ski.“ Der Weltmarktführer ist freilich vorbereitet. Während die Herstellung von Alpinski nahezu unverändert geblieben ist, hat Fischer die Fertigung von Langlaufski um zehn Prozent erhöht. Eigens für die Breitensportler hat die Firma auch breitere Langlaufski im Angebot, „die lassen sich stabiler laufen“, erklärt Winterhalder, „das ist leichter, um sich in der Loipe zu bewegen“. Von einem Allroundski für beide Stilarten des Langlaufs, Skating und Klassik, rät Tanja Winterhalder freilich ab: „Ich empfehle jedem, für jeden Stil einen Extra-Ski zu haben“, sagt sie, „das macht mehr Spaß.“ Und bringt der Industrie mehr Geld.