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Archiv-Artikel

Der Gott der Lachse

Weihnachten im Mündungsgebiet: Bremen dürfte die renitenten Niedersachsen dazu bringen, die Wesermündung als FFH-Zone zu melden. Dabei geht es um viel Geld und um Finten ohne Grenzen

Niemand müsse „die Entscheidungen der Europäischen Kommission als gottgegeben hinnehmen“, hatte Christian Wulff gesagt, als es im Landtag mal wieder um nicht gemeldete FFH-Gebiete ging. Wenn das so ist, hat der Bremer Umweltsenator und Parteikollege Jens Eckhoff (CDU) jetzt ein bisschen Gott gespielt: Immer wieder hatte sich die schwarz-gelbe niedersächsische Landesregierung geweigert, die Unter- und Außenweser als „Flora Fauna Habitat“ nach Brüssel zu melden. Die Elbmündung reiche, um den EU-Kriterien zu genügen, hatte Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) bei jeder Gelegenheit betont, bei Weser und Ems sei eine Ausweisung nicht nötig.

Inzwischen hat sich der Bremer Eckhoff jedoch in Brüssel schlau gemacht: Nach den EU-Vorschriften ist eine Meldung der Weser zwingend nötig, sonst drohten fette Strafen für Deutschland – bis zu 790.000 Euro täglich. Weil Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) nie ein Hehl daraus gemacht hatte, dass er die Zwangsgelder umgehend auf die Übeltäter umlegen werde, beschloss der klamme Bremer Senat in dieser Woche, die Entscheidung über die Meldung des Brackwassergebiets „in enger einvernehmlicher Abstimmung mit dem Land Niedersachsen möglichst im Januar 2005“ anzustreben.

Eines haben Themsemündung und die Gegend um Bremerhaven gemein: Durch Ebbe und Flut hat sich ein Lebensraum entwickelt, den die EU schützen will, das Ästuar. Die Finte braucht den Süß- und Salzwassermix zum Laichen, Lachs und Flussneunauge wandern durch.

Als Mündung gilt ein Teil des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer hinter der Wesermündung – dieser Teil ist bereits geschützt. Bremen überlegt jetzt aber, auch sein Gebiet von Luneort bis Weddewarden zu melden. Der niedersächsische Part reicht sogar über 30 Kilometer ins Hinterland – bis nach Brake.

Dass Einknicken nützlich sein könnte, steckte Bremens Bürgermeister Henning Scherf (SPD) Wulff bereits. Und nicht nur das: Auch ein juristisches Gutachten des niedersächsischen Landtags kam zu dem Schluss, es sei unmöglich, nur ein „halbes“ Ästuar nach Brüssel zu melden. Fische und Pflanzen wissen ja nicht, wann sie die Landesgrenzen überschreiten. Das niedersächsische Umweltministerium bereitet den Umfaller sachte vor: „Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass die Elbe als repräsentatives FFH-Gebiet ausreicht“, sagt eine Sprecherin. Allerdings werde man natürlich erneut „prüfen“, wenn die Bremer melden.

Was auch sehr nahe liegt: Trittin spielte in seinem Lob für den Bremer Schritt darauf an, wie „entschlossen“ die Kommission sei, „richtlinienkonforme Meldung der Mitgliedsstaaten einzufordern“. Gerade ist Frankreich wegen fehlender Meldungen der Mündungen von Gironde, Loire und Seine verdonnert worden. Klar sei aber auch: Es gehe bei FFH nicht darum, „wirtschaftliche Aktivitäten in den Mündungsbereichen einzuschränken“, betonte Trittin. Trotz Meldung wird also auch die Weser weiter von Schiffen befahren – und verschmutzt – werden.

Kai Schöneberg