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Archiv-Artikel

Strick oder Seidenschal

Nach massiven Protesten vergibt der Senat Ein-Euro-Jobs nachträglich doch an soziale Projekte. Trägersterben droht jetzt ein halbes Jahr später

Von EVA WEIKERT

Der CDU-Senat hat sich bei der Umsetzung von Hartz IV korrigiert. Er bietet den klassischen Hamburger Beschäftigungsträgern, die Langzeitarbeitslose für Arbeit qualifizieren, jetzt nachträglich doch so genannte Ein-Euro-Jobs an. „Wegen des stadtpolitischen Nutzens wollen wir die meisten dieser Projekte erhalten“, so Wirtschaftsbehördensprecher Christian Saadhoff zur taz. Nachdem fast alle Beschäftigungsräger bei den Zwangsjobs erst leer ausgegangen waren, drohte ihnen zum Jahreswechsel die Pleite. Die neuen Mittel sind indes nur bis Juli versprochen. Ulrich Dreßler vom Träger Passage, der das Diakoniecafé am Rathaus betreibt, warnte darum: „Der Aufschub droht sich als Galgenfrist zu erweisen.“

Die Vergabepraxis der Ein-Euro-Jobs für Langzeitarbeitslose war von Gewerkschaften und Opposition, aber auch in den Bezirken scharf kritisiert worden. Als Hauptkriterium für die Auswahl der Träger galt Wirtschaftsbehörde und Arbeitsagentur deren Preis für die Beschäftigungsmaßnahme. Den Zuschlag erhielten darum zu zwei Drittel Weiterbildungsträger und Personalverleiher. Anders als Beschäftigungsträger unterhalten Letztere keine Betriebsstätten mit Arbeitsanleitern und sind darum unschlagbar billig. Von der Qualifizierung in Arbeit hätten sie aber wenig Ahnung, lautete die Kritik. Auch breche mit den 25 Beschäftigungsträgern ein Teil des Hilfsangebots weg, da sie in den Bezirken zugleich etwa Kleiderkammern, Suppenküchen und Schreibdienste bieten.

„Der Senat hat die bezirklichen Interessen unterschätzt“, sagte Petra Lafferentz vom Träger „Alraune“ gestern erleichtert, der Stadtteiltreffs in Steilshoop unterhält. Bis Mittwochabend hatte die Wirtschaftsbehörde mit den Trägern nachverhandelt. Ein offizielles Ergebnis soll nächste Woche vorliegen. „Wir sind noch am auswerten“, so Sprecher Saadhoff: „Aber es ist abzusehen, dass die meisten etwas bekommen.“

Demnach fließen die staatlichen Zuwendungen bis Ende Juni in Höhe des Vorjahreszeitraums weiter, um davon ABM zu beenden und Ein-Euro-Jobs anzubieten. Ab März können sich die Träger dann auf neue Kontingente der Billigjobs für das zweite Halbjahr bewerben. „Die Projekte der Träger wie Kita-Kantinen sind für die Stadt wichtig“, begründete Saadhoff das späte Angebot. Er betonte aber auch, dass ab Jahresmitte „unsere Kriterien voll angewandt werden“, wie bei der Vergabe den Faktor Qualität mit 40 und den Preis mit 60 Prozent zu bewerten.

Genau das fürchten die Träger und blicken darum wenig hoffnungsfroh in die Zukunft. „Strick oder Seidenschal – das wissen wir erst nach der nächsten Ausschreibung“, so Dreßler von der Rathauspassage. Zähle erneut die Fachlichkeit der Maßnahmen und deren sozialer Nutzen wenig, sei das Trägersterben nur aufgeschoben. „Die Politik muss sich grundsätzlich für oder gegen den Erhalt der sozialen Projekte entscheiden“, forderte Marlies Strehlow vom Träger Koala, der mit Arbeitslosen für Obdachlose und Schüler kocht.

Zwar habe ihr wie dem Jenfelder Träger Quadriga die Behörde erklärt, künftig würden die billigen Verleih- von den betreuten Maßnahmen getrennt ausgeschrieben. Doch die Pressestelle wollte ein geändertes Auswahlverfahren gestern nicht bestätigen, das die Träger in einem Brief an Bürgermeister Ole von Beust (CDU) gefordert hatten. Für Quadriga, stellte Verwaltungschef Thomas Augustin klar, ist das reine Verleihen von Arbeitslosen „unvorstellbar“. Denn dann würden nur „die etwas Fitteren“ profitieren können. „Hilfen für die Schwierigeren“, empörte sich Augustin, „sind offenbar nicht mehr bezahlbar.“