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Archiv-Artikel

Achse der Übersehenen von Tobias RappDreckiger Spaß

Sie waren ein großes Thema dieses Jahr, all die Gruppen, die sich aus einer Bandperspektive daranmachten, die Tanzfläche wieder zu entdecken – all die Franz Ferdinands, Munks, LCD Soundsystems und wie sie alle heißen. So groß, dass sie in Kombination mit all den Hymnen, die die Technoproduzenten über die Tanzflächen regnen ließen, vollkommen verdeckten, dass sich in einem kleinen Winkel des Dancefloor-Universums ein wunderbarer Mikrotrend daran versuchte, seine Rhythmen in die Gehörgänge zu schlagen: die Wiederaneignung von Disko als Disko.

Da gab es nicht nur die wunderbaren Berliner Produzenten Fabian Grobe und Markus Schöbel alias Le Dust Sucker, auch Luke Vibert werkelte mit seinem Album „Kerrier District“ auf der gleichen Baustelle, und wenn man so will, konnte man auch Booka Shade dazuzählen. Doch während sich Letztere aller Orten großer Beliebtheit erfreuten und auch Luke Viberts Platte als Geheimtipp weitergereicht wurde, gingen Le Dust Sucker sang- und klanglos unter.

Dabei ist ihr Ansatz eigentlich am sympathischsten: Man nehme sich den Achtzigerjahre-Diskosound, jene mittlerweile längst geschmacksfaschistisch überformten schwulen Rummse von Labels wie Westend oder Prelude, und gebe ihm den dreckigen Spaß zurück. Das hat eine prollige Direktheit, die den anderen, oft fein ausziselierten Entwürfen leicht abgeht – ohne dabei aber jemals zu offensichtlich zu werden. Stadiondisko für den kleinen Club, wenn man so will.

Le Dust Sucker: „Le Dust Sucker“ (Plong!)

Barocker HipHop

Es gab eine Zeit, da war die Kirche der zentrale Ort afroamerikanischer Musik. Lange ist das her, spätestens von dem Augenblick an, als Sam Cooke dem Gospel abschwor und die irdische Liebe zu besingen begann, zog die schwarze Musik einen Großteil ihrer Energie aus dieser Säkularisierungsbewegung. Nicht dass Cee-Lo Green, ehemaliges Mitglied des Goodie Mob und wie Outkast aus dem amerikanischen Süden, den Namen des Herrn lobpreisen würde – doch es dürfte gegenwärtig keinen Rapper geben, der für einen so gospelinspirierten Gestus steht wie er. Er hört sich an, als hätten James Brown, Bobby Womack, C. L. Franklin und die Ohio Players sich als Rapper des 21. Jahrhunderts materialisiert. Obwohl sie vollkommen untergegangen ist, veröffentlichte Green mit „… Is The Soul Machine“ das Outkast-Album des Jahres, an dem sich viele andere versuchten.

Cee-Lo Green treibt diese Musik in ein neues barockes Zeitalter. Dies ist ein Breitwandsound, der mit Chören, die im Call-and-Response-Muster auf Cee-Los Lyrics antworten, mit stechenden Bläsersätzen, die dazwischenfahren, einer Trompete, die ein paar Töne darüberlegt, mit Streichern, die bestimmte Momente unterstreichen, zu überwältigen sucht. Cee-Lo Green bringt sogar den Mut auf, am Deep House anzudocken, jener Musik also, in der die spirituelle Tiefe des Gospel in der Erlösungsmetaphorik der schwulen Minderheit der schwarzen Community überlebte.

Cee-Lo Green: „… is the Soul Machine“ (Arista)

Alle machen weiter

Deep House macht weiter. Indie macht weiter. Free Folk macht weiter. Avant Noise macht weiter. Chicago House macht weiter. Death Metal macht weiter. Trance macht weiter. Roots Reggae macht weiter. Bossa macht weiter. Soundtracks machen weiter. Skater Punk macht weiter. Middle Of The Road Rock macht weiter. P-Funk macht weiter. Ambient macht weiter. Miami Bass macht weiter. Detroit Techno macht weiter. Bob Dylan macht weiter. Country macht weiter. Black Rock macht weiter. New Age macht weiter. New Wave macht weiter. Drum ’n’ Bass macht weiter. Dub macht weiter. Clement Coxsone Dodd und John Peel machen nicht weiter. Improv macht weiter. Oi-Punk macht weiter. Fado macht weiter. Prog Rock macht weiter. KRS-One macht weiter. Hair Metal macht weiter. Noisecore macht weiter. Rai macht weiter. Gospel macht weiter. Gothic macht weiter. Salsa macht weiter. Northern Soul macht weiter. Electronica macht weiter. Bubblegum Pop macht weiter. Jean-Michel Jarre macht weiter. Chanson macht weiter. Detroit Bass macht weiter. Go-Go macht weiter. Nouveau Soul macht weiter. Schranz macht weiter. Cajun macht weiter. Liedermacher machen weiter. Crossover macht weiter. Dancehall macht weiter. Bluegrass macht weiter. Psychodelic Rock macht weiter. Garage macht weiter. Death Disco macht weiter. Thai Pop macht weiter. Rechtsrock macht weiter. Wilco machen weiter. Ska macht weiter. Soul Jazz machen weiter. Lovers Rock macht weiter. Flamenco macht weiter. Die Russendisko macht weiter. Blues macht weiter. Dub macht weiter. Indie Dance macht weiter. Afrobeat macht weiter. Rockabilly macht weiter. Tango macht weiter. Big Beat macht weiter. Stadion Rock macht weiter. Goa macht weiter. Iggy Pop macht weiter. Wir machen weiter.