: Serbien wertet Nazikollaborateure auf
Belgrad verabschiedet Gesetz zur Gleichstellung faschistischer Tschetniks und kommunistischer Partisanen
BELGRAD taz ■ Sechs Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs soll es in Serbien zu einer historischen Versöhnung zwischen Kommunisten und Antikommunisten kommen. Das Parlament in Belgrad verabschiedete am Dienstag fast einstimmig ein Gesetz, das Kriegsveteranen der royalistischen Tschetniks die gleichen Privilegien gibt wie Titos kommunistischen Partisanen. Beide sollen gleichermaßen gegen die Nazis gekämpft haben, hieß es zur Begründung.
Was für die einen ein „verspäteter Triumph der Wahrheit“, ein „Zurechtbiegen historischer Ungerechtigkeit und kommunistischer Geschichtsschreibung ist“, ist für die anderen schlicht „Geschichtsfälschung“. Es gehe hier nicht um Kommunismus und Antikommunismus, meinen Kritiker des Gesetzes, sondern darum, dass Titos Partisanen gegen die deutsche Besatzung kämpften, während die Tschetniks von der deutschen Wehrmacht aufgerüstet wurden und unter deutschem Oberkommando gegen die Partisanen kämpften.
Die düstere Geschichte der Tschetniks beschränkt sich nicht auf den Zweiten Weltkrieg. Unter der Totenkopffahne der Tschetniks wüsteten serbische Freischärler noch in den 90er-Jahren. Selbst ernannter „Woiwode“ der Tschetniks heute und Führer von Serbiens „Radikaler Partei“, der mit Abstand stärksten politischen Kraft des Landes, ist der wegen Kriegsverbrechen angeklagte Vojislav Šešelj.
Bürgerbewegungen meinen nun, die Serben sollten sich lieber mit ihrer Rolle in den jüngsten Kriegen konfrontieren, statt neue nationalistische Mythen aufzubauen. In einem Land, in dem international gesuchte Kriegsverbrecher nach wie vor frei herumlaufen, würde man sich auf diese Weise von einer Vergangenheitsbewältigung nur noch mehr entfernen. Das ist wohl auch Intention des neuen Gesetzes: Wegen Kriegsverbrechen angeklagte Personen dürfen jetzt nämlich ihre Renten beziehen; wenn sie gerade auf der Flucht sind, wie der bosnisch-serbische General Ratko Mladić, sind ihre Familien bezugsberechtigt. Und wenn Kriegsverbrecher im UN-Gewahrsam in Den Haag Besuch von Angehörigen kriegen, soll die Regierung die Flug- und Unterkunftskosten tragen. ANDREJ IVANJI