Trilobiten in Westfalen

450 Millionen Jahre Geschichte der Region in einem romantischen Mittelalterschloss. In Hagen kann sich das neue Museum für Ur- und Frühgeschichte über mangelnde Besucher nicht beklagen

„Einiges an den Knochen deuten darauf hin, dass wir es in der Karhofhöhle im Hönnetal mit Menschenfresserei oder mit Menschenopfern zu thun haben.“ (Emil Carthaus, 1891)

VON PETER ORTMANN

Die Ruhrregion birgt noch archäologische Sensationen. Im Frühjahr fanden Höhlenforscher in einer Massenkalkhöhle bei Hagen Skelettteile von mindestens fünf Menschen. Fachleute datierten einen der geborgenen Schädel bereits auf ein Alter von rund 10.700 Jahre.

Das gerade eröffnete Museum für Ur- und Frühgeschichte im Wasserschloss Werdringen in Hagen zeigt einen Überblick über 450 Millionen Jahre Natur- und Menschheitsgeschichte Westfalens, darunter auch die Funde der Massenkalkhöhle, die zu den ältesten dieser Art in NRW gehören. „95 Prozent der Exponate stammen aus der Region“, sagt Dietmar Freiesleben, stellvertretender Direktor. Nach dem Umbau durch Stadt und Land sind anfangs bis zu 400 Besucher am Tag gekommen. Jetzt setzt die Museumsleitung insbesondere auf Schulklassen. „Eine am Tag sollte schon sein, für die Frühgeschichte haben wir ein einzigartiges Museum“, sagt Freiesleben. Nun soll mit experimenteller Archäologie das Haus weiter belebt werden. Der Kölner Archäologe Johann Tinnes zeigt,wie mit einer rekonstruierten Steinaxt eine Eiche gefällt wurde. Wie in der Jungsteinzeit können Besucher auf Sandstein-Mühlen Getreide zermahlen.

Die ältesten Funde stammen aus dem so genannten Ordovizium (vor über 450 Millionen Jahren). Die Versteinerungen der sehr seltenen Dreilappenkrebse (Trilobiten) wurden in einem Steinbruch bei Hagen gefunden. Hier befand sich damals ein küstennahes, subtropisches Korallenriff mit einer vielfältigen Tierwelt. Die Stadt selbst lag vor 350 Millionen Jahren an einer Lagune mit einem Sumpf aus gewaltigen Schachtelhalmen, Farnen und Bäumen und normale Libellen hatten da noch eine Flügelspannweite von einem halben Meter.

Seit einigen Jahren gilt das Sauerland in Fachkreisen auch als „Saurierland“. In Höhlen und Spalten wurden an mehreren Orten Knochen kreidezeitlicher Dinosaurier entdeckt, die rund 130 Millionen Jahre alt sind. Im Wasserschloss Werdringen wird neben ihnen auch ein lebensgroßes Modell eines Jungtieres ausgestellt. Spuren des Pflanzen fressenden Iguanondon wurden bei Brilon entdeckt. Highlight ist aber die Plastik eines eiszeitlichen Mammuts. 3,70 Meter hoch und 7 Meter lang wurde es in Westfalen auch von Steinzeitmenschen gejagt. Zahlreiche Werkzeuge und Steingeräte hinterließen Neandertaler in der Balver Höhle. Geheimnisvoll bleiben dafür die 6.500 Jahre alten Funde der jungsteinzeitlichen Rössener Kultur aus der Oeger Höhle bei Hohenlimburg. Es ist immer noch ein Rätsel, ob es sich bei den Tongefäßen und Steinwerkzeugen um Beigaben für eine Bestattung oder um Opfergaben gehandelt hat.

An der Einrichtung des Museums waren Institutionen, Verbände und Privatpersonen beteiligt. Auch ein Teil der Landesmittel für den Umbau konnte für die Ausstattung umgewidmet werden. „Wir haben so noch ein großes Potenzial“, sagt Freiesleben.

Infos: 02331-2072740www.museum-werdringen.de