piwik no script img

Archiv-Artikel

Bahn macht Werbung fürs Autofahren

Verstopfte Bahnsteige, überfüllte Züge und permanente Verspätungen: Im Raum Köln ist Bahn fahren kein Vergnügen. Der Knotenpunkt ist überlastet, klagt Pro Bahn. Doch weder Bahn noch Bund haben in naher Zukunft Geld für den Ausbau

von Thomas Spolert

„Über das Jahr ist die S-Bahn im Raum Köln zu über 95 Prozent pünktlich“, betont Frank Gassen-Wendler. Doch der Bahnsprecher weiß natürlich, dass diese Zahl keine überzeugende Größe für die Fahrgäste ist. Die plagen sich nämlich mit verstopften Bahnsteigen am Kölner Hauptbahnhof, überfüllten Zügen – und ärgern sich ständig über Verspätungen. „Die Verspätungsanfälligkeit im Nah- und Fernverkehr ist unbestreitbar zu einem großen Teil auf den unzureichenden Ausbau des Knotens Köln zurückzuführen“, betreibt der Fahrgastverband Pro Bahn Rhein-Sieg e.V. Ursachenforschung. Der Fahrplan in und um Köln sei so labil, dass immer mehr Fahrgäste überlegen, auf andere Verkehrsmittel umzusteigen. Schon seit Jahren fordern die Bahnfreunde deshalb den unverzüglichen Ausbau des bundesweit größten Eisenbahnknotens.

Konkret soll die ICE-Neubau-Strecke Frankfurt-Köln auf Kölner Stadtgebiet zwischen Porz und Mülheim zweigleisig und kreuzungsfrei erweitert werden. Denn langfristig heißt das Ziel, den ICE komplett auf der rechten Rheinseite über den ICE-Bahnhof Deutz von Frankfurt bis nach Düsseldorf sausen zu lassen. „Die Fortführung der ICE-Strecke ist fertig geplant und es besteht Baurecht“, erläutert Pro-Bahn-Sprecher Klaus Groß.

Auf die lange Bank

Doch die Trasse zwischen Frankfurt und Köln hat so viel gekostet, dass für die Baumaßnahmen in Köln kein Geld mehr da war. „Mit der Flughafenschleife hat die Rhein-Main-Neubaustrecke sechs Milliarden Euro verschlungen“, rechnet Christoph Groneck vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) vor. Damit sei die Trasse doppelt so teuer geworden wie ursprünglich geplant. „Allein der lange Planungszeitraum hat zu erheblichen Kostensteigerungen geführt“, begründet Bahnsprecher Gassen-Wendler die leeren Kassen. Zudem seien viele Tunnelbauten und Lärmschutzmaßnahmen in der ursprünglichen Kalkulation für die ICE-Trasse nicht eingeplant gewesen.

Ein weiterer Stolperstein für den Ausbau der ICE-Trasse auf Kölner Stadtgebiet: Viele Verkehrspolitiker verknüpfen das Vorhaben inzwischen mit dem noch unausgereiften Projekt „Rhein-Ruhr-Express“. Genau dadurch, kritisiert Pro Bahn, werden letztlich beide Projekte auf die lange Bank geschoben. Eine Befürchtung, die durch ein anderes Indiz gestützt wird: Ein Blick in den „Bedarfsplan für die Bundesschienenwege“ der Bundesregierung zeigt, dass bis 2008 insgesamt 66 Projekte realisiert werden sollen – der Knoten Köln allerdings fehlt. „Er ist nach wie vor in der Diskussion und sehr wichtig“, macht Bahn-Mann Gassen-Wendler dennoch etwas Hoffnung. Alle Experten seien sich einig, dass der Eisenbahnknoten Köln die Grenze seiner Belastbarkeit erreicht habe.

Doch allein der Ausbau des Deutzer Bahnhofs und der nördlichen ICE-Strecke zwischen Porz und Mülheim würden nach Angaben der Bahn 60 Millionen Euro kosten. Immerhin: Zwischen Mülheim und Deutz wird seit Anfang 2004 an der Trasse gebaut. Bis 2006 soll das Teilstück als ICE-Strecke fertiggestellt werden. Das allein wird an den Verspätungen freilich nichts wesentliches ändern. Denn neben der unvollendeten ICE-Strecke gibt es noch andere Schwachstellen im Kölner Schienennetz. So fordert Pro Bahn zwei zusätzliche Bahnsteige im Kölner Hauptbahnhof und den Ausbau des Westrings für den Nahverkehr.

Der Grund dafür ist simpel: „Im Bereich der Verkehrsverbünde Rhein-Sieg und Aachen sind die Fahrgastzahlen zwischen 1997 und 2001 von 42,8 auf 53,5 Millionen pro Jahr gestiegen“, berichtet Christoph Groneck vom Verkehrsclub Deutschland (VCD). Täglich sind NRW-weit rund eine Million Fahrgäste im Nahverkehr unterwegs. Zwischen 1999 und 2003 stieg die Zahl der zurückgelegten Kilometer von fünf auf sieben Milliarden Kilometer. So knubbeln sich im Kölner Hauptbahnhof tagsüber die Fahrgäste auf dem Bahnsteig 10/11 für den S-Bahn- und Nahverkehr. „Der Bahnsteig ist erheblich überlastet und für das hohe Verkehrsaufkommen nicht dimensioniert“, erklärte Pro Bahn bereits vor zwei Jahren.

„Ein neuer Bahnsteig könnte die Verspätungsanfälligkeit reduzieren“, meint Klaus Groß von Pro Bahn. Doch für einen zusätzlichen Bahnsteig im Hauptbahnhof fehlt das Geld. „Die Planungen dafür sind auf Eis gelegt“, weiß VCD-Mitglied Christoph Groneck. Am Breslauer Platz werden zwar schon die Fundamente für einen neuen Bahnsteig gegossen – allerdings für die neue Nord-Süd-U-Bahn.

Zankapfel Mineralölsteuer

Derzeit ohne Chance auf Realisierung ist auch der Ausbau des Westrings vom Kölner Hauptbahnhof bis Hürth-Kalscheuren. Derzeit teilen sich auf dieser Strecke Güterverkehr, S-Bahn, Regionalbahn und Regionalexpress vier Gleise. Zwei zusätzliche Gleise für den Nahverkehr sollen den Bahnverkehr entzerren. So könnte laut Pro Bahn endlich ein vernünftiger 30-Minuten-Takt nach Bonn geschaffen werden. „Auch die Eifel ist nicht gut angebunden“, beklagt Klaus Groß von Pro Bahn.

Tatsächlich sind die Pläne für den Ausbau des Westrings nicht neu. Bereits seit Anfang der 90er Jahre wird darüber diskutiert. Doch die zwei neuen Gleistrassen und der Bau von drei neuen S-Bahn-Stationen am Media-Park, Aachener Straße und Köln-Klettenberg würden nach Schätzungen aus 2001 umgerechnet rund 160 Millionen Euro kosten.

So sind die leeren öffentlichen Kassen das Haupthindernis beim Ausbau des Knotens Kölns. „Bei uns ist das Auto immer noch eine heilige Kuh“, klagt Verkehrsexperte Groneck vom VCD. „Es müssen endlich feste Finanzgrundlagen her für den Ausbau der Schienen-Infrastruktur“, fordert er. Nach seiner Vorstellung sollte deshalb ein Teil der Mineralölsteuer für den Schienenverkehr verwendet werden.